Rembrandts Porträts von Remonstranten: Eine Ausstellung im Rijks Museum Amsterdam

Ein Hinweis von Christian Modehn

Die niederländische Kirche der Remonstranten (liberal-theologisch, freisinnig, ökumenisch) feiert in diesem Jahr ihr 400 jähriges Bestehen.

Als der Organisator dieser zahlenmäßig immer kleinen, theologisch aber immer inspirierenden, und manchmal auch provozierenden Kirche gilt Johannes Uytenbogaert. Er musste sich nach der Synode in Dordrecht, die zur Trennung von der sehr konservativen calvinistischen Kirche führte, nach Antwerpen flüchten.

Später haben Rembrandt van Rijn und Jacob Becker ihn und andere Remonstranten in Porträts lebensnah – lebendig gestaltet. Diese Bilder sind noch bis zum 29. September 2019 im „Prentenkabinet“ des Amsterdamer Rijksmuseums zu betrachten.

Uytenbogaert war u.a mit Hugo Grotius, dem berühmten Rechtsphilosophen und Sympathisanten der remonstrantischen Theologie, befreundet.

Um 1630 konnten die Remonstranten in den Niederlanden relativ sicher leben. Der frühere theologische Streit um die Freiheit des Menschen hätte das Land fast in einen Bürgerkrieg geführt.

Die Remonstranten traten für die Freiheit des Menschen, auch in seinen Glaubensentscheidungen, ein, sie wehrten sich also gegen eine allumfassende Prädestination durch Gott… Sie sind gewissermaßen eine humanistische christliche Kirche! Das ist in der weiten christlichen Ökumene eine Ausnahme! Bekanntlich sind zahlenmäßig und finanziell besonders stark die Pfingstgemeinden und Evangelikalen, sie sind sozusagen der „dialektische Kontrast“ zur remonstantischen theologischen Offenheit.

Interessant und für die Zukunft vielleicht inspirietend ist: Die ersten Remonstranten Gemeinden in Holland waren Hausgemeinden.

Die Remonstranten wurden als Kirche sozusagen im Exil, von einem Flüchtling, organisiert.

Die Remonstranten sind die ersten, die Aufklärung und christlichen Glauben zusammenführen.

Wer sich die Remonstranten Porträts von Rembrandt ansehen will:

Eine andere Publikation zeigt auch das Porträt Uytenbogaerts mit einem Buch zu seiner Linken. Dies ist nicht die Bibel, das ist bemerkenswert, sondern es handelt sich offenbar um theologische Notizen, vielleicht um eine kurzgefasste Kirchenordnung der Remonstranten. Über die verschiedenen Aktivitäten der Remonstranten informiert die Zeitschrift ADREM.

Bekanntlich haben die Remonstranten bis heute kein für alle Mitglieder und Freunde verbindliches Glaubensbekenntnis. Und sie wollen das auch nicht um der je persönlichen spirituellen Freiheit willen. Lediglich eine kurze, sehr allgemeine und offene „Grundsatz – Erklärung“ gilt als verbindliche Orientierung: „Die Remonstrantische Bruderschaft ist eine Glaubensgemeinschaft, die im Evangelium von Jesus Christus verwurzelt ist. Und die getreu dem Grundsatz von Freiheit und Toleranz Gott ehren und dienen will“.

Copyright: Christian Modehn, Remonstranten Forum Berlin

Neue „Allgemeine Sekretärin“ der Remonstranten

Die Remonstranten haben als freisinnige christliche Kirche keinen „Bischof“ als obersten Repräsentanten, sie haben einen “Algemeen Secretaris“, eine Art „Generalsekretär“ würde man auf Deutsch sagen. Am 15. Juni 2019 wurde Annemarie Gerretsen in diese Funktion gewählt: Sie wurde 1969 geboren, ist Mitglied der Gemeinde in Rotterdam und zur Zeit als Projektmanagerin an der Universität Delft tätig. Zum ersten Mal ist also keine Theologin in der Funktion des „Algemeen Secretaris“ tätig. Annemarie Gerretsen ist in einem Moment gewählt worden, in der die Remonstranten intensiv über ihren weiteren Weg, auch über mögliche Neuorientierungen, in der nahen Zukunft nachdenken.

Christian Modehn

 

 

Feier zum 400. Bestehen der Remonstranten am 14.9.2019 in Amsterdam

400 Jahre Remonstranten: Veranstaltung am 14.9.2019

Am 14.9.2019 findet eine Art „Schlussveranstaltung“ zum 400. Bestehen der Remonstranten Kirche statt: Und zwar in der alten, jetzt schon „ehemaligen“ Kirche „de rode hoed“ in Amsterdam, Keizersgracht 102. Bekanntlich durften die Remonstranten als nur offiziell von den Calvinisten geduldete Konfession im 17. Jahrhundert ihre Kirchen lediglich als „versteckte Kirchen“ bauen (wie die Katholiken in den Niederlanden auch). D.h.: Hinter der Fassade eines bürgerlichen Hauses verbarg sich seit 1629 der Gottesdienstraum. Seit einigen Jahren ist der „rode hoed“ (der „Rote Hut“ als kleines Erkennungssymbol an Fassade) ein im ganzen Land bekanntes offenes Kulturzentrum.

Die „Studentenecclesia“, eine selbstständige ökumenische Kirche, gegründet von dem Theologen Huub Oosterhuis, feiert dort in dem schönen Kirchsaal sonntags ihre Gottesdienste.

Die Remonstranten in Amsterdam verfügen – zusammen mit den „Freisinnigen Protestanten“ – über die große Kirche mit Gemeindezentrum „de Vrijburg“.

Am 14.9. 2019 eröffnet um 16.00 der Remonstranten – Theologe Peter Nissen, Nijmegen, die Veranstaltung. Es gibt anschließend einen Vortrag des in Leuven, Belgien, lehrenden Theologen und Autors Rik Torfs: Er schreibt auch oft über den Zustand der Kirchen und Religionen: Zum Katholizismus sagte er kürzlich: “Allein eine Reformation kann die römisch-katholische Kirche noch retten“. Was wird er über die Remonstranten heute sagen? Dann folgt ein Vortrag der Theologin Christa Anbeek vom Seminar der Remonstranten-Theologie an der „Vrije Universiteit“ Amsterdam. (Wohlgemerkt: Vortrag bedeutet: Nicht länger als 35 Minuten sprechen!)

Zwischendurch: musikalische Intermezzi, am Abend ein Buffet…

Christian Modehn

Kommentar eines Lesers aus Berlin:

Kommentar: 
„Allein eine Reformation kann die römisch-katholische Kirche noch retten.“
Na, das ist ja ein starker Spruch.

 

Eine vernünftige Theologie: Ein Vorbild aus Äthiopien im 17. Jahrhundert: Von Zär ´a Yaqob.

Lesen Sie den Hinweis auf das Buch „Eine äthiopische Weltanschauung“  des Philosophen  Zär a Yaqob. Eine Einladung, das Wesentliche des christlichen Glaubens zu bewahren. Massstab dafür ist die Vernunft, das Geschenk Gottes an die Menschheit. Ein modernes Buch aus dem 17. Jahrhundert. Ziemlich einmalig!

Remonstranten – die fünf wichtigen „Tugenden“: Eine neue Publikation.

Überlegungen anlässlich des 400 jährigen Bestehens der freisinnigen Kirche der Remonstranten

Hinweise von Christian Modehn am 14.5.2019

Anlässlich des 400 jährigen Bestehens der Remonstranten Kirche in den Niederlanden in diesem Jahr (2019) werden dort weitere Überlegungen publiziert zur Frage: Was ist den Remonstranten wichtig? Was ist für sie, bei aller Liebe zur eigenen innerkirchlichen Pluralität, entscheidend?

Zu der Frage ist jetzt eine Broschüre publiziert worden von fünf TheologInnen der Remonstranten zu fünf „Arikeln“, also Grundbegriffen, sozusagen „Kernwerten“, im Leben und Denken dieser freisinnigen protestantischen Kirche. Alle fünf Artikel bzw. Grundhaltungen beginnen interessanterweise mit einem V in der niederländischen Sprache. Es handelt sich um Vrijheid, Verdraagzaamheid, Verantwoordelijkheid, Vrede und Vriendschap. Also um Freiheit, Toleranz, Verantwortlichkeit, Friede und Freundschaft.

1.

Freiheit ist schon von der Geschichte der Remonstranten her eine zentrale Haltung/Tugend. Bekanntlich haben die ersten Remonstranten-Theologen stark die freie Mitwirkung des einzelnen Menschen in der Entscheidung für den christlichen Glauben betont! Eine absolut umfassende Vorherbestimmung der Glaubenden durch Gott lehnten sie vernünftigerweise ab und so wurden sie deswegen von der Mehrheit der strengen Calvinisten 1619 durch die Synode von Dordrecht ausgeschlossen, verfolgt und ausgegrenzt.

Ein Wunder, dass diese kleine Kirche über all die Jahre Bestand hatte. Sie ist etwas ganz Besonderes, Wichtiges, wohl auch „Einmaliges“ in der Hinsicht, in der weiten Ökumene, denke ich.

2.

Bei der Freiheit, die fürs theologische Denken typisch und normal ist, hätte man natürlich auch die sehr dringenden heutigen Tugenden Solidarität, Gerechtigkeit, Vielfalt als „Kernwerte“ nehmen können. Aber darüber kann man ja weiter sprechen…Die fünf „V“ als „Kernwerte“ haben natürlich einen eigenen Charme.

Ich kann nur empfehlen, Niederländisch mal vorausgesetzt, diese Broschüre (42 Seiten) zu lesen. Ich will kurze Hinweise geben: Sigrid Coenradie, Theologin in Eindhoven, schreibt über „Freiheit“. Sie kümmert sich dort um Verbindungen von Menschen außerhalb und innerhalb der Kirche, ein neues Dialog – Projekt der Remonstranten. Keine Missionsveranstaltung, sondern eben Dialog! Und sie weist in ihrem Beitrag über die Freiheit auch darauf hin, dass die Remonstranten in der internationalen, interreligiösen Vereinigung IARF (International Association for Religious Freedem) vertreten sind. Zur Freiheit gehört, so Sigrid Coenradie, auch das Eintreten für die Menschen, die heute mit dem etwas seltsam anonymen Kürzel LHBTI beschrieben werden: Also das Eintreten für lesbische Frauen, homosexuelle Männer, Bisexuelle, Transgenders und intersexuelle Personen. Diese Menschen haben selbstverständlich ihren gleichberechtigten Platz in der Remonstranten Kirche.

4.

Koen Holtzappfel, Theologe und Pastor in Rotterdam, stellt in seinem Beitrag über Verantwortlichkeit kritische Fragen: „Fühlen wir uns als (Niederlande), Land verantwortlich für das, was in Srebrenica passierte? …Wie weit reicht unsere Verantwortlichkeit, wenn es um die Frage der Natur und des Naturschutzes geht. Nicht umsonst gehen uns heute Schüler voraus in ihrem Protest gegen die als zu sehr vom Kompromiss bestimmte Klimaverträge“.

5.

Ein Hinweis noch auf den Beitrag des Amsterdamer Theologen und Pastors Joost Röselaars über Freundschaft ist Bruderschaft“. Er erinnert an den alten Titel der Remonstranten: „Bruderschaft“! Der Titel Bruderschaft wird vielleicht in feministisch geprägtem Denken als problematisch empfunden, deswegen spreche viele eher von Remonstranten – Kirche. Aber aktuell ist die Idee der gelebten „Bruderschaft“ nach wie vor, auch wenn man ihn in Richtung Geschwisterlichkeit weiten sollte. Joost Röselaars erinnert an Martin Luther King, der einmal sagte: “Ich habe einen Traum. Wir werden mit unserem Feind zusammensitzen.Wir sollen mit unserem Feind an einem Tisch, einer Tafel, zusammen sitzen…“ Und Röselaars nennt Beispiele: „Das ist vollkommene Bruderschaft: Der Türke sitzt mit dem Kurden an einem Tisch. Der PVV Anhänger (aus der rechtsextremen Partei von Wilders, CM) sitzt zusammen mit dem Flüchtling an einer Tafel“…

Wahrscheinlich ist die Wiederbelebung des Begriffes und der Realität „Bruderschaft“ auch zentral für die Zukunft der Remonstranten Kirche: Die sehnsucht der meisten Menschen, die noch eine christliche Gemeinde suchen, ist ja auch und oft vor allem dieses emotionale Sichwohlfühlen in der Gemeinde, so sehr man auch die intellektuelle, rationale Debatte pflegt. Kopfarbeit und „Seelenarbeit“ also sollten vielleicht stärker verbunden sein.

Die Remonstranten sind eine Kirche, die den theologischen Pluralismus sehr weit reichend auch für ihre eigenen Gemeinden, also für die Glaubensüberzeugung der einzelnen Freunde und Mitglieder nicht nur zulässt, sondern wünscht. Auf der Basis des kurzen allgemeinen Bekenntnisses: „Die Remonstrantische Bruderschaft ist eine Glaubensgemeinschaft, die – verwurzelt im Evangelium Jesu Christi und getreu der Freiheit und Toleranz – Gott ehren und dienen will“.

Diese innere Pluralität ist selbstverständlich im Alltag nicht immer einfach zu gestalten. Eine Glaubensgemeinschaft mit einer inneren Pluralität ist so selten, dass für die Mitglieder dieser Gemeinschaft der offene Dialog untereinander entscheidend ist. Sigrid Coenradie stellt in ihrem Beitrag dazu kritische Fragen.

Ich frage mich angesichts des Jubiläums, ob die Remonstranten eine fast ausschließlich auf die Niederlande begrenzte Kirche bleiben dürfen. Ist in Europa – und darüber hinaus in einer immer mehr fundamentalistisch werdenden Welt – eine freisinnige Kirche nicht enorm wichtig, selbst mit nur kleinen Stützpunkten, „Aktions-, Studien- und Debattenzentren?

Und ich frage weiter, ob die Remonstranten nicht viel mehr Menschen anderer Kulturen, allochthonen sagt man in Holland, und anderer Religionen und Weltanschauungen als Freunde und Mitglieder einladen und aufnehmen. Erst dann, vermute ich, finden die fünf Vs ihre umfassende Gestalt. Koen Holtzappfel gibt schon die auf Zukunft hin orientierte wichtige Antwort: “Remonstranten können den Zusammenhalt begünstigen, indem sie ihre Türen öffnen und den anderen begegnen. Sie können ein Platz bieten, wo gleichsam Vögel mit unterschiedlichem Gefieder einander entgegenkommen, lernen Respekt für einander aufzubringen und gemeinsam erleben, wie bereichernd Begegnungen sein können…“

Zum Schluss noch ein Hinweis auf die Monatszeitschrift ADREM der Remonstranten. Da berichtet in der Ausgabe Mai 2019 Janny Harmsen von ihrer Gemeinde in Doesburg: Dort orientiert sich die Gemeinde neu, weil sie sehr bald keine eigene Pastorin mehr haben kann. „Darum haben wir eine liturgische Gruppe ins Leben gerufen, in der ich bis vor kurzem auch Mitglied war. Es ist schön, um out of the box zu denken über Liturgie, aber selbst predigen ist für uns möglich. Wir probieren viel Kunst und Poesie in den Gottesdienst zu bringen“.

Die Praxis, dass die Gemeindemitglieder (Laien oft genannt, sie sind aber keine „Laien“, CM) selbst liturgische Verantwortung übernehmen und predigen, wenn kein Pastor da ist, finde ich großartig, auch für die Zukunft der Kirche. Das ist die Grundidee der Basisgemeinden, von dort kann man noch viele gute Inspirationen holen. So braucht keine noch so kleine Gemeinde nur einmal im Monat Gottesdienste zu haben, wenn eben mal ein Pastor gerade da ist…. Die Gemeinde selbst gestaltet auch die Gottesdienste. Ein Projekt für die Zukunft. Sicher ganz dringend, auch was Bildungsmöglichkeiten für „Laien“ am Institut der Remonstranten an der Freien Universität von Amsterdam angeht.

Die Broschüre „de vijf artikelen van de remonstranten“ ist 2019 erschienen. 42 Seiten. Sie kann bestellt werden im Büro der Remonstranten, Nieuwe Gracht 271, 3512 Utrecht. www.remonstranten.nl

Copyright: Christian Modehn, Religionsphilosophischer Salon Berlin. Forum der Remonstranten Berlin.

Wer oder was ist schon normal? Ein religionsphilosophischer Salon am 14. Juni 2019

Ein religionsphilosophischer Salon am Freitag, den 14. Juni 2019, um 19 Uhr
in der Galerie Fantom, Hektorstr.9 in Wilmersdorf.

„Normalsein“ gilt meist als „üblich“, „selbstverständlich“, wenn nicht sogar gut. Normal wird etwa der durchschnittliche (gesundheitliche) Wert beschrieben. „Normal“ nennen sich Menschen – vor allem in den östlichen Bundesländern – die weder konfessionell gebunden noch militant atheistisch sind. Viele heute hoch geschätzte Künstler, wie Vincent van Gogh, waren in ihrer Wahrnehmung etwas „verrückt“ gegenüber der üblichen Existenzform. Welche große Welt aber hat van Gogh uns erschlossen!
Auch heute werden Menschen mit schweren geistig-seelischen Problemen mit dem Wort „Nicht-Normal“ ausgegrenzt. So hält sich die bornierte Mehrheit für besser und gesünder als jene „ganz anderen“, die ihre eigenen Einschätzungen der Wirklichkeit haben und diskriminierend „verrückt“ genannt werden. Oder eine selbstbestimmte, „andere“ Sexualität leben wollen und darum noch kämpfen müssen.
Dabei sind „Normale“ oft heftigste Ausbeuter, Kriegsherren, Unterdrücker…Ist unsere Welt der Klimakatastrophen und des Rassismus, also unser Menschenwerk, normal?
Können wir viele Politiker als Verbreiter von fake-news noch normal nennen und respektieren? Ist die Wut der Jugend auf den Freitags-Demos nicht tatsächlich Ausdruck normalen Denkens?

Wir begeben uns in unserem Salon auf die Suche nach der Vielfalt des Normalen und damit auf die Suche nach einer Welt des Pluralismus, in der nicht nur Toleranz, sondern vor allem Respekt und Solidarität gelten. Ein Schwerpunkt wird der verstehende Blick auf die Welt der seelisch-psychisch stark belasteten und erkrankten Menschen sein.
Wer teilnehmen will, herzliche Einladung mit der Bitte um Anmeldung an: Christian.Modehn@berlin.de

Get out – geht raus! Ein Magazin zum 400. Bestehen der Remonstranten

Eine Rezension von Christian Modehn

„Geht raus“: Mit diesem Befehl mussten die Remonstranten, die freiheitlich Gesinnten unter den Calvinisten, 1619 die Synode in Dordrecht verlassen und sich nach Belgien, dann nach Deutschland (Friedrichstadt!) flüchten. Erst später wurden sie in Holland geduldet! Remonstranten sind also vom Ursprung her Flüchtlinge und Widerständler! Großartig, modern, diese Herkunft! Ihre Theologie passte den auf Rechtgläubigkeit bedachten Reformierten nicht. Theologie und Widerstand (heute) ist also das remonstrantische theologische Thema!

„Get out“ ist nun der Titel einer „Glossy“, wie man in den Niederlanden sagt, eines Magazins in bunten Farben, vielleicht sollte man eher von einer Illustrierten sprechen. Wie auch immer: Diese Publikation, jetzt neu erschienen, 100 Seiten stark, reich mit Fotos ausgestattet, will in zahlreichen Beiträgen und Interviews zeigen, was Remonstranten in den Niederlanden, heute, 400 Jahre nach dem Rauswurf, als freisinnige protestantische Kirche denken, was sie leben, was ihnen wichtig ist. Dabei wird wohl eher an die LeserInnen außerhalb der Kirche gedacht als an „Insider“, deswegen wohl das aufwändige und bunte layout.

Nur einige Hinweise des Rezensenten:

Der gegenwärtige Finanzminister Wopke Hoekstra (CDA), Mitglied der Remonstranten und laut Tageszeitung de Volkskrant einer der einflussreichsten Niederländer, wird ausführlich interviewt. Ebenso Christa Anbeek, eine der führenden TheologInnen am Seminar für remonstrantische Theologie an der Freien Universität von Amsterdam. Sie plädiert in einem Gespräch mit Inez van Oord u.a. dafür, dass die TheologInnen „viel mehr hören sollten auf die Menschen an der Basis“…Immer wieder wird das Thema „Verwundbarkeit“ durch Leiden, auch seelisches Leiden, thematisiert, darüber hat Christa Anbeek etliche Bücher geschrieben. Sie fordert, dass auch (durch die Kirche?) viel mehr freie Orte und Räume geschaffen werden sollten, wo Menschen einander ihr Leben und Leiden sagen und Mitgefühl finden. Interessant sind auch die persönlichen Lebenszeugnisse von Remonstranten aller Generationen, von 20 bis 100…Wichtig die Hinweise auf die Gemeinde der jungen Remonstranten! Sie sind die Zukunft der Kirche.

Ein bisschen, nein, sehr schade finde ich, dass der Beitrag des auch in Berlin bekannten remonstrantischen Theologen Prof. Johan Goud (Den Haag) über das (innere) Kind so kurz und knapp ist; zudem ist dies ein politisch-kritischer Beitrag etwa zum Konsumismus. Ebenso muss ich in dieser „Rezension“ auch bemerken, dass der ebenfalls leider sehr kurze Beitrag über die Diakonie der Remonstranten von Arrien Kruyt erst ganz Ende des Heftes, auf Seite 97 erscheint. Das Thema hätte meines Erachtens viel mehr zentrale Aufmerksamkeit verdient, wenn man bedenkt: Remonstranten waren zu Beginn Vertriebene und Flüchtlinge. Was tun sie also heute in den Gemeinden gemeinsam mit Flüchtlingen, auch mit Muslims? Vielleicht werden Flüchtlinge und andere „Ausländer“ auch gern Mitglieder und Freunde der Remonstranten? Das wäre ein gutes neues Thema gewesen! Kommt aber vielleicht noch in einer Publikation am Ende des „Jubiläums“? Wenn man hoffentlich noch stärker einen Vorausblick bietet, was diese freisinnige protestantische Kirche, so klein sie auch sein mag, international in Zukunft bedeuten könnte und sollte. Dies in einer Zeit, in der der fundmentalistische christliche Glaube sich immer mehr durchsetzt: Was für eine Aufgabe für eine freisinnige und theologisch liberale und deswegen lernbereite christliche Kirche! Ein Freund in Berlin hat die Broschüre durchgeblättert und fragte mich dann: Wissen die Remonstranten eigentlich, wie einmalig sie in der weiten Ökumene sind und wie notwendig sie heute sind als Orte des umfassenden interreligiösen Dialogs zum Beispiel? Ich kann diese Frage nur weitergeben. Vielleicht findet sie gelegentlich eine Antwort.

GET OUT ist eine Publikation der Remonstranten. Man kann das Heft, in niederländischer Sprache, bestellen:

www. Remonstranten.nl   oder Remonstranten, Nieuwe Gracht 27 A, 3512 LC Utrecht,

Christian Modehn, www.remonstranten-berlin.de

Remonstranten- eine freisinnige christliche Kirche besteht seit 400 Jahren

Gedenken und Feiern im Jahr 2019

Ein Hinweis von Christian Modehn

Die „Remonstranten“ als einzige explizit freisinnige und liberal-theologische und humanistisch-orientierte Kirche besteht im Jahr 2019 400 Jahre. Diese Kirche ist bis jetzt fast ausschließlich in den Niederlanden vertreten, seit 1622 in Friedrichsstadt, Nordfriesland. In Berlin wurde 2010 ein „Forum der Remonstranten“ gegründet.

Die Erinnerung an die Geschichte der „remonstrantischen Bruderschaft“, so der offizielle Titel, ist wesentlich, nur so wird das besondere theologische Profil dieser Kirche deutlich.

In der Monatszeitschrift ADREM beschreibt Peter Nissen wesentliche historische Momente, die zur Gründung der Remonstranten führten. Peter Nissen ist remonstrantischer Pastor und Professor für Ökumene an der Radboud Universität in Nijmegen.

In der Dezember Ausgabe 2018 von ADREM erinnert Peter Nissen an die Synode der calvinistischen Kirche in Dordrecht im November 1618. Die Synode war zusammengekommen vor allem wegen der theologischen Dispute, die der Theologe Arminius angestoßen hatte: Es ging ihm ursprünglich um die Frage: Welche Bedeutung hat der freie Wille des Menschen, wenn er sich der Botschaft des Evangeliums anschließt. Arminius unterstützte dabei die Teilnahme, die Anerkennung des freien menschlichen Willens; die meisten Theologen der calvinistischen Kirche hielten an der Lehre von der totalen Vorherbestimmung (Prädestination) fest. „Remonstrance“ bedeutet Einspruch, Widerspruch, eben Beschwerde gegen die totale Prädestinationslehre Calvins.

Die Theologen, die den Vorschlägen von Arminius folgten, waren zunächst bei Eröffnung der Synode in Dordrecht (am 13.November 1618) gar nicht zu gelassen. Erst am 6. Dezember 1618 konnten 12 remonstrantische Theologen dabei sein, sie waren nicht (gleichberectigte) Teilnehmer, sondern Angeklagte, wie Nissen schreibt.

„Diese Synode war kein Forum offener Diskussion, sondern ein Gerichtshof der Rechtsgesinnten, also der orthodoxen Calvinisten“. Die Vertreter der Remonstranten hatten schon den Eindruck, dass abweichende theologische Argumente in der Synode nicht mehr zählten. Am 14. 1. 1619 mussten die Remonstranten die Synode verlassen. Die freisinnigen Remonstranten wurden ausgegrenzt.

In Erinnerung bleibt eine Rede, die der remonstrantische Theologe Simon Episcopius noch am 7. Dezember 1618 hielt. Seit 1612 war Episcopius Professor in Leiden. „Wie Arminius wollte Episcopius Theologie treiben auf der Linie des Erasmus, mit der Vernunft als Richtschnur und mit der Philosophie als Hilfe fürs Verstehen der Bibel“. 2015 wurde der Vortrag von Episcopius unter dem Titel „Die arminianische Friedenskirche“ aus dem Lateinischen, der damaligen „Gelehrtensprache“ übersetzt und veröffentlicht. Dieser Vortrag ist, so Peter Nissen, „ein Plädoyer für ein tolerantes und pluriformes Christentum. Er plädiert für eine Kirche, die die Bibel zwar als Fundament hat, aber in der Raum ist für Vielfalt in der Auslegung der Bibel… Zwang gehört nicht zur Eigenart der Kirche“.

Es folgte ab 1619 eine Zeit, in der die Remonstranten vertrieben und verfolgt wurden, später konnten sie ihre Kirchengebäude nur als „versteckte Kirchen“ hinter einer neutralen Häuserfront bauen (etwa die Kirche „de rode hoed“ in Amsterdam).

Die Remonstranten heute sind selbständig, also nicht Mitglied der Protestantischen Kirche der Niederlande“ (PKN), einem Zusammenschluss von Hervormden, Gereformeerden und Lutheranern.

Am 11. November 2018 fand aber in der „Großen Kirche“ zu Dordrecht, dem Ort der Synode von 1618, ein gemeinsamer Gottesdienst von Protestanten der PKN (also den Nachfahren von Calvin, wenn man so will) und den Remonstranten statt.

Copyright: Christian Modehn, remonstranten-berlin.de

Im Dialog mit „Kirchenfernen“, aber „religiösen Menschen“

Fünf neue „Parttime“ – Pastoren für neue Aufgaben

Ein Hinweis von Christian Modehn

Die Remonstranten haben als „freisinnige christliche Kirche“ tatsächlich ja auch alle Freiheit, neue Wege zu gehen. Und sie tun das auch.

Jetzt haben sie entschieden, fünf PastorInnen „parttime“ zu beauftragen, den Dialog mit Menschen zu pflegen, die außerhalb der Gemeinden leben, als spirituell Interessierte, Skeptiker, vielleicht Atheisten. „Kirchenferne“ in jedem Fall. In Bussum, Eindhoven, Utrecht und de „Achterhoek“ werden diese PastorInnen eben nicht die übliche Gemeindearbeit leisten, sondern in Einzelgesprächen und in Gruppen Menschen einladen, über Sinnfragen und Probleme der Lebensgestaltung zu sprechen. Und sicher auch mit Lesungen, Vorträgen, gemeinsamen Mahlzeiten usw. kann das Gespräch gelingen, über Fragen der Einsamkeit, der beruflichen Belastung, der Partnerschaft usw. Wollen wir hoffen, dass Menschen diese freundliche ausgestreckte, einladende Hand ergreifen…. In jedem Fall sind alle Menschen heute auf eine je unterschiedliche „verwundet“ (kwetsbaar), wie die Remonstranten Theologin Christa Anbeek, Amsterdam, betont. „Zeig mir deine Wunde“, sagte bkanntlich Joseph Beuys, also: Zeig mir deine Verletzungen und wir zeigen einander unsere Verletzungen und heilen einander vielleicht ein wenig…

In diesen neu zu organisierenden Gesprächen steht der Mensch im Mittelpunkt: „Die Bibel ist wichtig, aber fürs Gespräch mit suchenden und fragenden Menschen müssen wir als Kirche unser Angebot erweitern und verändern“, sagt der Allgemeine Sekretär der Remonstranten, Joost Röselaars. Damit will er wohl sagen: Als freisinnige Kirche machen Remonstranten keine Mission, wollen nicht auf neue Art, versteckt, neue Mitglieder direkt werben. Es ist vielmehr einzig die menschliche Nähe, die Förderung von Zusammenhalt und Gemeinschaft, die zählt. Und danach verlangt unsere Gesellschaft! Wenn dann später einmal jemand Remonstrant werden will und in dieser freisinnigen Kirche mitleben will: Um so besser.

Die Remonstranten setzen jedenfalls ein deutliches Zeichen: So, wie sich die Kirchen in Holland, und in den westlichen Ländern Europas insgesamt, bisher präsentierten, geht es nicht weiter, dieser uralte Weg führt ins Ende der Kirchen. Und ist, menschlich gesehen, nicht immer hilfreich.Man denke an die Dominanz der Dogmen, der Moral in den meisten, sich orthodox nennenden Groß-Kirchen….

Die Zeit der starken Institution und Behörde, die überall ihre Filialen, ihre Kirchen und Gemeindezentren hat, ist vorbei: Denn die Haltung ist doch dort: Wer etwas „will“, soll diese Räume betreten. Diese Haltung ist theologisch gesehen sogar falsch. Es gilt nun: Pfarrer und Pastoren gehen zu den Menschen, dorthin, wo sie leben. Kirche sollte ein Raum des Austauschs, der (Lebens)-Hilfe sein, eine „Schule des Lebens“, wie es der Remonstranten Theologe Johan Goud ausdrückt. Dieser selbstlose Dienst der Christen an der Gesellschaft wird verstanden, geschätzt, das sagte schon der leider in Holland ziemlich unbekannte Theologe Dietrich Bonhoeffer: Denn wir leben in einer Welt des Kapitalismus, in der alles und fast alle nur am Profit orientiert sind; der einzelne zur Nummer wird, die man (die herrschende Wirtschaft) auch wieder ausradiert … und die Solidarität ist oft nicht mehr als ein Traum.

Der „Religionsphilosophische Salon Berlin“ ist eine säkulare Form des remonstrantischen Lebens: Wir wünschen jedenfalls viel Glück beim Start dieser neuen Präsenz! Vielleicht sind sogar Begriff und Sache eines öffentlichen religionsphilosophischen Salons in einer selbstverständlich NICHT – kirchlichen Kunstgalerie irgendwann einmal eine kleine Anregung für Holland. Den religionsphilosophischen Salon Berlin als Initiative eines Remonstranten in Berlin gibt es seit 11 Jahren mit monatlichen Treffen; Gesprächen, mit Ausflügen, lietarischen Gesprächskreisen usw…. und wird von Anfang an „ehrenamtlich“, ohne „Halftime –PastorInnen“, geleistet.

Copyright: Christian Modehn

 

400 Jahre Remonstranten: Glauben und Kirchesein in Freiheit

Hinweise auf ein Jubiläumsjahr der Remonstranten im Jahr 2019

Von Christian Modehn, Berlin

Die Remonstranten Kirche feiert in den Niederlanden (und sicher auch in Deutschland!) ihr 400 jähriges Bestehen: Diese Kirche ist weltweit gesehen in der weiten Ökumene eine „sehr einmalige“ Kirche: Sie stellt die spirituelle Freiheit ihrer Mitglieder in den Mittelpunkt. Sie verpflichtet niemanden auf ein ausführliches dogmatisches Glaubensbekenntnis. Sie lädt ein, miteinander die unterschiedlichen Vorstellungen vom je eigenen christlichen und immer auch humanistisch geprägten Glauben auszutauschen. Vielfalt ist dringend erwünscht! Pluralität selbstverständlich. Das bringt viel Freiheit zum Aufatmen  … und viele spannende Debatten. Und jeder und jede ist selbstverständlich zum Abendmahl eingeladen. Keine Frage! Und Homosexualität ist natürlich normal. Segnungen von homosexuellen Paaren – gleich welcher Konfession – seit 1987 selbstverständlich.

Darüber wurde bereits viel geschrieben.

Nun steht im Jahr 2019 ein großes Jubiläum bevor: Im Jahr 1619 trennten sich einige aufgeschlossene, eher undogmatisch und freiheitlich gesinnte Calvinisten und ihre Theologen von der großen Gruppe der dogmatischen und orthodoxen Calvinisten.

Diese Remonstranten wurden anschließend verfolgt, sie flüchteten sich nach Antwerpen und Friedrichstadt. Später wurden sie in Holland geduldet. Eine Kirche also, die Verfolgung erlebt hat und Flucht seit Anbeginn kennt. Eine aktuelle Perspektive für heute!

Vor allem sind die Remonstranten eine sich stets wandelnde, sich stets weiter entwickelnde Kirche. Stillstand ist untersagt.

 

Zum bisher bekannten Programm im Jahr 2019:

Im Januar 2019 erscheint eine aktuelle Zeitschrift (auf niederländisch „glossy“) über Gegenwart und Geschichte der Remonstranten.

Am 3. März 2019 wird in der großen Rotterdamer Remonstranten Kirche ein Festgottesdienst gefeiert. Später werden sich einzelne Gemeinden öffentlich präsentieren. Im Frühling werden 5 zentrale Haltungen der Remonstranten diskutiert: Freiheit, Toleranz, Freundschaft, Vertrauen und Verantwortlichkeit. Später erscheint ein Buch des remonstrantischen Theologen Peter Nissen (von der Uni Nijmegen) über „Glaubenserfahrungen der Remonstranten“. Peter Nissen ist katholischer Theologe und offizieller „Freund (und Pastor) der Remonstranten… Man kann sich als Mitglied oder als Freund den Remonstranten anschließen, in aller Freiheit…

Am 14. September werden die Feiern und Veranstaltungen erst mal beendet in der ehemaligen Remonstranten Kirche „de rode Hoet“ in Amsterdam. Der „Rote Hut“ ist heute ein im ganzen Land bekanntes, eher linkes, kritisches Kulturzentrum, in dem auch die Studentenecclesia des Theologen und Poeten Huub Oosterhuis Gottesdienste feiert.

copyright: Christian Modehn, Forum der Remonstranten Berlin.