Die Remonstranten und ihr Bekenntnis

Eine Information vorweg: Der deutsche Wikipedia Beitrag über die protestantische Kirche der Remonstranten entspricht nicht dem Stand der heutigen Theologie der Remonstranten und auch nicht der Realität der Vielfalt remonstrantischen Lebens. Der Wikipedia Beitrag ist veraltet…

Die Remonstranten sind eine kleine protestantische Kirche, vor allem in den Niederlanden, sie ist Mitglied im Weltrat der Kirchen und in Deutschland Mitglied in der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen.

Sie ist theologisch liberal orientiert, sie sucht eine Verbindung von christlichem Glauben und Humanismus.

Zentrale Veranstaltung des „Forum der Remonstranten Berlin“ ist der religionsphilosophische Salon seit 2009.

Am Freitag, den 27. März 2020 um 19 Uhr findet ein religionsphilosophischer Salon über einige zentrale Aspekte der Philosophie HEGELS statt. In der Galerie Fantom, Hektorstr.9. Anmeldung dringend empfohlen. christian.modehn@berlin.de   Dies ist der Auftakt unserer Veranstaltungen zum 250. Geburtstag des Philosophen Hegel, der 1831 in Berlin gestorben ist.

Am Freitag, den 14.Februar 2020 um 19 Uhr fand ein religionsphilosophischer Salon statt über das Thema: „Das Kalte Herz“. Mehr als ein Märchen (von Wilhelm Hauff). Es offenbart die „imperiale Lebensweise“.  22 TeilnehmerInnen waren dabei. Leider mussten wir 8 Interessierten absagen, weil der Raum klein ist und vor allem: Nur eine kleinere Gruppe eine Gesprächssituation ermöglicht. Aber das große Interesse, ohne jede öffentliche Werbung, allein im Internet, und ohne jede Finanzierung von außen, ist schon bemerkenswert. Einige vertiefende Hinweise zur imperialen Lebensweise: Beachten Sie diesen LINK.

Am DONNERSTAG , den 9., Januar 2020, trafen sich in der Kunstgalerie Fantom Hektorstr. 9,  17 TeilnehmerInnen zum Thema: Das NEUE !? Gibt es noch das Neue im emphatischen Sinne? Das Bessere, das Gerechtere? Ein Abend, der auch dem persönlichen Austausch gewidmet war: Was ist mein Neues, habe ich Neues als Neubeginn erlebt? Habe ich eine, meine, Utopie?

Für Remonstranten als einer protestantischen Kirche gibt es kein Glaubensbekenntnis, das für jedes Mitglied verpflichtend ist. Jeder, der Remonstrant werden möchte, formuliert sein eigenes, sein persönliches Bekenntnis. Dieses wird von der Kirche respektiert, es kann inspirieren zu weiteren Gesprächen. Im Jahr 2006 haben einige Theologen der Remonstranten Kirche ein Bekenntnis formuliert, das sehr wertvoll, sehr inspirierend ist, das aber nicht bindend ist für die Mitglieder und Freunde der Remonstranten. Nur so kann eine Kirche leben, die Vielfalt respektiert und den Glauben des einzelnen ernst nimmt. Bitte lesen Sie dazu den wichtigen Beitrag von Prof. Johan Goud, Den Haag. Johan Goud ist Philosoph und Theologe der Remonstranten Kirche in Den Haag.

2006 haben einige remonstrantische Theologen einen Vorschlag gemacht, wie ein Glaubensbekenntnis ihrer Kirche aussehen könnte. Auffallend und einmalig in der weiten Ökumene ist wohl, dass das Glaubensbekenntnis nicht sofort mit „Gott“ beginnt, sondern mit menschlichen Erfahrungen.

Dies ist der Text des Glaubenbekenntnisses als Impuls für alle Freunde und Mitglieder der Kirche:

Wir erkennen und glauben, dass wir unsere Ruhe nicht in der Sicherheit dessen finden, was wir bekennen, sondern im Erstaunen über das, was uns zufällt und geschenkt wird. Dass wir unsere Bestimmung nicht finden in Gleichgültigkeit und in Habgier, sondern in der Wachheit und Verbundenheit mit allem, was lebt. Dass unser Dasein nicht seine Vollendung findet in dem, was wir sind und was wir haben, sondern durch das, was unendlich größer ist als unser Begreifen. In diesem Bewusstsein glauben wir an Gottes Geist, der alles, was Menschen trennt, übersteigt, der sie begeistert für das, was heilig und gut ist. Damit die Menschen dann singend und schweigend, betend und handelnd Gott ehren und dienen.

Wir glauben an Jesus, einen vom Geist erfüllten Menschen das Antlitz Gottes, das uns ansieht und beunruhigt. Er hatte die Menschen lieb und wurde gekreuzigt, aber er lebt, sein eigener Tod und unser Tod sind vorüber. Er ist uns ein heiliges Vorbild für Weisheit und Mut, er bringt Gottes ewige Liebe ganz dicht zu uns.

Wir glauben an Gott, den Ewigen, der unergründliche Liebe ist, der Grund unseres Daseins, der uns den Weg zu Freiheit und Gerechtigkeit weist und uns einlädt zu einer Zukunft in Frieden.

Wir glauben, dass wir selbst, so schwach und fehlerhaft wir auch sind, gerufen werden, um mit Christus und allen Gläubigen verbunden, Kirche zu sein im Zeichen der Hoffnung.

Denn wir glauben an die Zukunft von Gott und Welt, an eine göttliche Geduld, die Zeit schenkt, um zu leben und zu sterben und um aufzuerstehen in das Königreich, das da ist und kommen wird, wo Gott auf ewig sein wird: Alles in allem. Gott sei der Lob und die Ehre in Zeit und Ewigkeit. Amen.

Zum Glaubensbekenntnis siehe das Buch:“Een weg van vrijheid” (Ein Weg der Freiheit), Reflectie bij de nieuwe remonstrantse belijdnis (Reflektionen zum neuen Remonstranten Bekenntnis), hg u.a. Mijnke Bosman, Verlag Meinema, Zoetermeer, 2. Auflage 2007.

Das Forum der liberal-theologischen protestantischen Remonstranten – Kirche in Berlin hat im Augenblick seinen Schwerpunkt in den religions-philosophischen Salons. Dies sind philosophische Gesprächskreise, auch zu literarischen, künstlerischen, religionswissenschaftlichen und theologischen Themen, in der selbstverständlichen Freiheit, ohne jede „konfessionelle Werbung“. Wir wollen ein Ort der Pluralität sein, ein Ort, in dem deutlich wird: Jeder Mensch hat seinen eigenen Glauben und soll ihn pflegen und mit anderen besprechen…Diese Salon-Abende sind natürlich offen für alle, die nach einer kritischen und selbstkritischen philosophischen Vertiefung ihrer Lebensfragen mit anderen zusammen suchen. Wir als  Remonstranten halten nicht viel von einer Religion oder Kirche, die dogmatisch eng „nur unter sich bleiben will“. Lernen von „den anderen“ ist für uns philosophisch und theologisch entscheidend.

Am Freitag, den 22. NOVEMBER 2019 um 19 Uhr, fand wieder ein religionsphilosophischer Salon statt:  In der Galerie Fantom, Hektorstr.9. Unser Thema: Was bedeutet „Apokalypse“ und „apokalyptisch“? Dies sind heute vielfach verwendete Begriffe zur Bescheibung des Zustandes unserer Welt. Reflexionen über das „Ende von allem“ sind also erforderlich und hilfreich, genauso wie eine Auseinandersetzung mit dem Buch der „Apokalypse des Johannes“ im Neuen Testament. Aber was vermag da die Reflexion auf die Apokalypse? Ist sie Lähmung des Lebens/Denkens oder (letzter) Impuls zum Handeln? Das Thema hat philosophische Implikationen!  18 TeilnehmerInnen waren dabei!

 

ADREM: Die neue Zeitschrift der protestantischen Remonstranten – Kirche in Deutschland

Informationen einer undogmatischen, freisinnigen christlichen Kirche.

Von Christian Modehn, Berlin.

Die Remonstranten, eine protestantische Kirche, gegründet im 17. Jahrhundert, freisinnig und modern, Mitglied im Ökumenischen Weltrat der Kirchen in Genf: Remonstanten haben ein ungewöhnliches theologisches Profil: Sie nehmen sich alle Freiheit, ihren eigenen persönlichen christlichen Glauben zu leben und zu bekennen. Dogmatische Kontrolle etc. gibt es nicht: Innerhalb der weiten Ökumene der Kirchen tatsächlich eine, man möchte sagen, absolute Ausnahme angesichts der heftigen Fundamentalisten weltweit. Die gemeinsame Basis für alle RemonstantInnen ist ganz kurz formuliert. „Die Remonstrantische Kirche ist eine Glaubensgemeinschaft, die im Evangelium von Jesus Christus verwurzelt ist. Und die getreu ihrem Grundsatz von Freiheit und Toleranz Gott ehren und dienen will“.

Die Remonstanten haben vor allem in den Niederlanden ihre Gemeinden, dort haben sie ihre theologischen Zentren, dort erscheint 10 mal im Jahr die Zeitschrift ADREM im Umfang von 32 Seiten…

Jetzt haben sich die Remonstranten entschlossen, in unregelmäßigen Abständen eine 12 Seiten umfassende deutsche Ausgabe von ADREM zu publizieren, es sind vor allem in Deutsche übertragene Beiträge der niederländischen Ausgabe. Zur Lektüre: LINK

Auf diese Weise will die Remonstranten Kirche (in den Niederlanden etwa 4.000 Mitglieder) erneut auf sich aufmerksam machen. Inzwischen wurde in Kelsterbach bei Frankfurt eine Remonstranten Gemeinde gegründet, in Friedrichstadt (Schleswig -Holstein) gibt es eine Gemeinde schon seit über 400 Jahren. In Berlin ist der Religionsphilosophische Salon seit 2009 vom offenem theologischen und philosophischen Geist der Remonstranten inspiriert…ohne dabei theologisch – missionarisch zu werben. Es wird nur für die offene Diskussion unterschiedlicher Menschen unterschiedlichen Glaubens „geworben…Zum Religionsphilosophischen Salon Berlin diese Website: LINK

In den großen Kirchen, die sich „orthodox“, also rechtgläubig nennen, was immer das heißen mag, also in der katholischen oder der lutherischen Kirche, wird jetzt, 2025, an das uralte Glaubensbekenntnis des Konzils von Nizäa (im Jahr 325) erinnert und dafür erneut geworben. Es ist formuliert in einer heute kaum noch nachvollziehbaren Sprache, Ausdruck einer vom Neuplatonismus geprägten Theologie. Vom historischen Jesus von Nazareth ist in diesem Bekenntnis fast keine Rede oder von der Bedeutung des Glaubens für den Menschen von heute!

Die Remonstranten haben 2006 als eine Möglichkeit ein modernes christliches Glaubensbekenntnis formuliert, als Einladung und als Impuls gedacht. Dieses Glaubensbekenntnis ist kein „Muss“ für die Mitglieder, aber es wird gern gelesen und meditiert. Man vergleiche es einmal mit dem offiziellen „orthodoxen,“, aber nahezu unverständlichen „Nizäno-Konstantinopolitanischen“ Glaubensbekenntnis des 4. Jahrhunderts. LINK zum Bekenntnis der Remonstranten.

Die Remonstanten sind eine ungewöhnliche christliche Kirche mit großen theologischen Potential, der Remonstranten Theologe Gerrit J. Heering hat z.B. als Friedenstheologe entsprechende Akzente gesetzt und heute ist u.a der Theologe Johan Goud (Den Haag) ein bekannter Interpret holländischer Dichter und AutorInnen… Dieses theologische und religiöse Potential wird nun in Deutschland hoffentlich weiter geweckt durch ADREM.

Christian Modehn, Berlin.  LINK

 

„Der Sündenfall des Christentums“
: Eine Studie von Gerrit J. Heering

Das bahnbrechende Buch (1928) des niederländischen Friedenstheologen, des Remonstranten Gerrit Jan Heering, ist im „Regal“ zum frühkirchlichen Pazifismus als Übersetzung wieder greifbar.

Ein Gast – Beitrag von Peter Bürger, Düsseldorf

Zunächst ein Hinweis der Redaktion der Reihe „edition pace“

Bevor wir im „Regal: Pazifismus der frühen Kirche“ demnächst neue Studien darbieten, wird hier ein weiteres historisches Werk wieder zugänglich gemacht, das trotz des Abstandes von einem Jahrhundert noch immer wichtige Impulse geben kann. Zum editorischen Vorgehen sei bezogen auf die ganze Reihe angemerkt: Wir versehen die Werke aus früheren Zeiten nicht mit einem kritischen Anmerkungsapparat, in dem Abweichungen zu heutigen Sichtweisen und Erkenntnissen jeweils kommentiert werden (Beispiel: Darstellung und Gewichtung der Friedensbotschaft der Hebräischen Bibel), sondern rechnen mit mündigen Leserinnen und Lesern, die die geschichtlichen Kontexte einer Arbeit vor Augen haben.

1.
Der Erste Weltkrieg führte den niederländischen Theologen Gerrit Jan Heering (1879-1955) zu einem radikalen Antikriegsstandpunkt. Im Vorwort zu dem hier neu edierten Werk „Der Sündenfall des Christentums“ (Erstauflage NL 1928, dt. Übersetzung 1930) schreibt er: Ich will „ernsthaft auseinandersetzen, dass Christentum und Krieg – jetzt mehr denn je – unversöhnliche Gegensätze sind. Ich will zwischen die christliche Lehre und die Ideologie des Krieges einen Keil treiben. Beide Systeme sind von der Geschichte zwangsweise zusammengeführt und werden jetzt in künstlicher Weise zusammengehalten. Ich will an das christliche Gewissen und an das von diesem Gewissen gelenkte vernünftige Denken appellieren und fragen, ob es nicht die höchste Zeit ist, dass Kirche und Christen sich prinzipiell gegen das ganze Kriegswesen auflehnen. … Es war eine verhängnisvolle Wendung in der Geistesgeschichte, die während und nach der Zeit von Kaiser Konstantin sich vollzog; durch das enge Bündnis zwischen Staat und Kirche ging das Bewusstsein des Gegensatzes zwischen Christentum und Krieg … verloren …; das schlimmste ist, dass man (seither) … ruhig Böses gut nennt. … Die Art, wie in allen christlichen Ländern die Kirche direkt in das gegenseitige Gemetzel des letzten Krieges [1914-1918] hineingezogen worden ist, nämlich als unentbehrlicher, als inspirierender Faktor, demonstriert jenen Sündenfall in deutlichster und greulichster Weise. Es ist kein größerer Abstand und Gegensatz denkbar, als zwischen Christus und dem modernen Krieg. Wer dies verneint, hat die Realität eines von beiden oder beider nicht klar gesehen. Das militärische Christentum unserer Tage kann nicht schärfer gerichtet werden, als es durch das Christentum Christi geschieht.“

2.
Schon 2004 konnte die erstmals 1930 erschienene deutsche Übersetzung des Werks „De zondeval van het Christendom“ durch Octavia Müller-Hofstede de Groot in die digitale „Handbibliothek Christlicher Friedenstheologie“ aufgenommen werden. Jetzt liegt zu Weihnachten 2024 eine Neuedition innerhalb der Reihe „edition pace“ (Regal: Pazifismus der frühen Kirche ǀ 2) vor. Die Internetversion ist – wie bei allen Publikationen des ‚Regals‘ – frei abrufbar; es gibt nachträglich aber auch die Möglichkeit, eine preiswerte Taschenbuchausgabe zu bestellen.
Der Werdegang des Verfassers sei hier – zumeist wortgetreu – in Anlehnung an eine Darstellung aus der niederländischen ‚Bücherkunde‘ nachgezeichnet:

3.
Gerrit Jan Heering – geboren am 15. März 1879 in Pasuruan/Indonesien, gestorben am 18. August 1955 in Oegstgeest – wirkte nach seinem Universitätsstudium lange als Hochschullehrer des Theologischen Seminars der Remonstranten in Leiden (NL). Der Vater war seit 1868 Prediger in Indonesien gewesen. Die Familie kehrte 1881 in die Niederlande zurück. G. J. Heering ist dann ebenfalls Prediger geworden wie sein Vater, aber mit einer anders gefärbten Predigt, in der die geistliche Motivation deutlicher zu Tage trat, und mit einer anders ausgerichteten [‚rationalismus-kritischen‘] Theologie, die er in seiner Zeit als Hochschullehrer durchdacht und grundgelegt hat. Als Prediger diente er den Remonstranten-Gemeinden von Oude Wetering (1904-1907), Dordrecht (bis 1913) und Arnheim (bis zum Beginn seines Hochschullehramtes, April 1917). – Als junger Pfarrer heiratete er im Jahr 1905 Alida van Bosse; die beiden wurden Eltern von fünf Söhnen. – Heeringʼs Leidenschaft gehörte der Kanzel. Seine Predigten zeichneten sich durch eine starke persönliche Überzeugungskraft aus; verschiedene Predigtsammlungen sind in Buchform veröffentlicht worden (‚Unser Vertrauen‘; ‚Zeugnisse aus dunkler Zeit‘ 1940; ‚Was uns erhält‘). Predigen bedeutete für Heering die durch den Glauben getragene ‚freie prophetische Verkündigung des Evangeliums, im Dienste und zur Ehre des heiligen Gottes‘. – Gerrit Jan Heering entwickelte eine eigene „Dogmatik auf der Grundlage der Evangelien und der Reformation“, schrieb über den „Ort der ‚Sünde‘ in der freisinnigen-christlichen Dogmatik“ (1912) und über „Die Selbstständigkeit der Seele“ (1917).

4.
Der Erste Weltkrieg führte ihn zu einem radikalen Antikriegsstandpunkt, beeinflusst von Hilbrandt Boschma (1869-1954), der bereits während der Kriegszeit 1914-1918 an verschiedenen Orten pazifistische Lesungen abhielt: „Kreuz oder Kanone?“ – „Warum kein Krieg? Weil der Krieg die radikalste Sünde gegen Gott ist.“ Heering fasste seine eigenen Studien und Einsichten 1928 in dem Werk „Der Sündenfall des Christentums“ zusammen (s.u.). Er grün­dete mit anderen „Kerk en Vrede“ (Church and Peace), wurde Vorsitzender dieser Vereinigung auf nationaler Ebene und war für viele Jahre auch international eine der leitenden Persönlichkeiten des neuen kirchlichen Friedensnetzes.

5.
Die Friedensbewegung in den Niederlanden zeigte sich schon vor dem Ersten Weltkrieg gut organisiert, vielgestaltig (‚Tolstojaner‘, Anarchisten, sozialistische Antimilitaristen …) und übernational vernetzt. Mit Gerrit Jan Heering und Persönlichkeiten, die ihm nahestanden, wurde sie durch eine neue Strömung mit ökumenisch-friedenskirchlicher bzw. friedenstheologischer Programmatik bereichert. Wie bedeutsam die 1928 vorgelegte Untersuchung des gelehrten Remonstranten zum ‚konstantinischen Sündenfall‘ und dessen mögliche Überwindung über die Landesgrenzen hinaus war, führen uns gleich vier Übersetzungen in andere europäische Sprachen vor Augen. 1933 ist der Verfasser sogar für den Friedens-Nobelpreis vorgeschlagen worden.

6.
Der bekannte Dominikaner und Friedenstheologe P. Franziskus Maria Stratmann (1883-1971) schrieb bald nach Erscheinen der deutschen Ausgabe von Heerings Werk „De zondeval van het Christendom“ in einer Rezension (Der Friedenskämpfer. Organ der Katholischen Friedensbewegung 5. Jg. / 1931, S. 69-76):

„Einem Christen tut es weh, vom ‚Sündenfall des Christentums‘ reden zu hören. Je stärker er seine Religion liebt, um mehr schmerzt ihn jede Anklage. Aber gerade die starke Liebe muß hellsichtig sein, damit Krankes geheilt, Schwaches gestärkt werden kann. Die Christen, die die Geschichte des Christentums mit Einschluß der Kriegsgeschichte ganz in der Ordnung finden, sind sicher nicht die besten und erweisen ihm einen schlechten Dienst. Man muß deshalb für das Buch Heerings, das hier nur in seinem Kern, nicht in seinem sonstigen reichen Inhalt behandelt werden konnte, sehr dankbar sein. Der Verfasser selbst gehört, wie eingangs gesagt, zu denen, die an der Darlegung der Krankheitsgeschichte des Christentums alles andere als Freude haben. Er will nur als gewissenhafter Arzt an die Wurzel des Übels heran. Er sieht sie in einer Verwachsung des christlichen Edel­bau­mes mit einem ihm schicksalhaft, aber auch schuldhaft auf­gepfropften Wildling, dem Krieg. Im letzten Teil des Buches gibt er sehr beachtenswerte Ratschläge zur Heilung des Übels. […] Die Wahrheit und der Ernst der Sache verlangen aber doch, daß wir alle Schuld nicht allein auf die Menschen, die Christen, wälzen und behaupten, sie hätten eben in ihrem schuldbaren Kriegführen eine an sich tadellose christliche Kriegslehre verleugnet, sondern wir müssen sagen, daß gewisse weit verbreitete Kriegslehren mindestens die gleiche Schuld treffen. Zahllose Christen hätten nichts lieber getan als einer möglichst strengen Kriegs- bzw. Antikriegslehre Gefolgschaft geleistet. Sie haben jedem obrigkeitlichen Befehl nur deshalb gehorcht, weil er sie dazu zwang und ihr widerstrebendes Gewissen vergewaltigte. Nötiger als eine Reform dieser Christen ist deshalb eine Reform dieser Lehren, mindestens eine neue Anwendung alter Lehren auf die von Grund auf veränderte heutige Situation. Eine vom Lehramt der Kirche definitiv formulierte oder gedeckte und darum im Glaubensgehorsam verbindliche, für jede Situation gebrauchsfertige ‚katholische‘ Kriegslehre gibt es nicht. Diese Feststellung ist von der größten Wichtigkeit. Sie läßt die Bahn frei sowohl für die theoretische Arbeit der Moraltheologie wie für das praktische Handeln der Katholiken. An dem Heeringschen Buche wird die Neuorientierung nicht vorübergehen können […]. Es ist eine bedeutende Bereicherung der pazifistischen Literatur, und auch der Katholik kann in ihm, trotz wesentlicher Vorbehalte, einen der Wegebereiter nicht nur des Welt-Friedens, sondern auch des ‚Friedens Christi im Reiche Christi‘ sehen.“

7.
Wer die Kirchengeschichte kennt, weiß wie außergewöhnlich dieses – nur ein wenig vorsichtige – Lob für Heerings Buch aus dem Mund eines römisch-katholischen Ordenspriesters gegen Ende der Weimarer Republik erscheinen musste.
In seinem Geleitwort zur deutschen Ausgabe des Werkes von 1930 hatte der evangelische Theologe Martin Rade (1857-1940) ge­schrieben: „Wenn der nächste Krieg kommt, werden die Kirchen nicht mehr geschlossen zu den Armeen stehn. Es wird dann nicht ohne schwere innere Konflikte gehen. Wie sie sich abspielen, wie sie sich lösen werden, weiß kein Mensch. Je länger die gegenwärtige Atempause dauert, desto besser mag es sein.“ (Neuausgabe, S. 10). Doch die ‚Atempause‘ bis zum nächsten Menschenschlachten im Zweiten Weltkrieg dauerte nur kurz. Die amtlichen Leitungen der beiden deutschen Großkirchen leisteten ab 1939 für den ‚Hitlerkrieg‘ (!) doch wieder – ziemlich ‚geschlossen‘ – kriegstheologischen Beistand in großem Umfang und riefen – mit durchschlagendem Erfolg – die Getauften zum Gehorsam gegenüber der Obrigkeit im NS-Staat auf (Dokumentation: https://kircheundweltkrieg.wordpress.com/). Nach 1945 haben die i. d. R. vom Staat besoldeten Kirchenhistoriker wunderliche Verteidigungstexte zu diesem abgründigen Komplex verfasst – und nicht wenige ‚weltliche Vertreter‘ der Geschichtswissenschaften haben ihnen dabei unter dem Vorzeichen sogenannter „Historisierung“ assistiert.

8.
Heerings Anliegen wird gegenwärtig verstanden, wenn etwa der Bischof von Rom bezeugt, es könne im Licht des Evangeliums keine ‚gerechten Kriege‘ geben und Christen müssten schon Herstellung oder Besitz atomarer Massenvernichtungswaffen als verwerflich brandmarken. Doch der vom niederländischen Seelsorger und Theologieprofessor nach dem Ersten Weltkrieg ersehnte radikale Bruch mit dem konstantinischen Staatskirchenparadigma hat in den privilegierten nationalen Kirchengebilden, zumal im Militärkirchenwesen, nie stattgefunden. Die völlig irrationale militärische Heilslehre stößt in diesem Zusammenhang heute nirgendwo auf eine Fundamentalkritik, während der Militarismus unentwegt Felder des öffentlichen Lebens für sich ‚zurückerobert‘. Leider gibt es viele Gründe, das ehedem bahnbrechende Werk „Der Sündenfall des Christentums. Eine Untersuchung über Christentum, Staat und Krieg“ gerade jetzt wieder allgemein zugänglich zu machen. Möge es vielen zur Erschütterung und zu einem klaren Denken in der Kriegsfrage verhelfen.

Copyright: Peter Bürger Düsseldorf, Dezember 2024 ǀ

Die Digitale Erstauflage der Neuedition 
ist beim Lebenshaus Schwäbische Alb e.V. abrufbar:
Gerrit Jan Heering: Der Sündenfall des Christentums. – Eine Untersuchung über Christentum, Staat und Krieg. Aus dem Holländischen übersetzt durch Octavia Müller-Hofstede de Groot, 1930. Neu ediert von Peter Bürger in Kooperation mit: Lebenshaus Schwäbische Alb, Ökumenisches Institut für Friedenstheologie, Portal Friedenstheologie. (= edition pace ǀ Regal: Pazifismus der frühen Kirche 4). Digitale Erstausgabe der Neuedition. Düsseldorf ǀ Gammertingen, 12.12.2024.
https://www.lebenshaus-alb.de/magazin/media/pdf/Heering_S%C3%BCndenfall.pdf

Die gedruckte Buchausgabe im Handel:
Gerrit Jan Heering: Der Sündenfall des Christentums. – Eine Untersuchung über Christentum, Staat und Krieg. Aus dem Holländischen übersetzt durch Octavia Müller-Hofstede de Groot, 1930. (= edition pace ǀ Regal: Pazifismus der frühen Kirche 4). Norderstedt: BoD 2024.
(ISBN: 978-3-7693-2488-4; Paperback; 316 Seiten; Preis: 12,99 Euro)
 https://buchshop.bod.de/der-suendenfall-des-christentums-gerrit-jan-heering-9783769324884

Podcasts in Amsterdam: Brief an Immanuel Kant

Ein Brief an Immanuel Kant:

Ein Vorwort:
In der Gemeinde „de Vrijburg“ in Amsterdam kommen „Remonstranten“ und „Freisinnige Reformierte/Protestanten“ zusammen.
Mit Beginn der Corona-Pandemie hatten einige Mitglieder die gute Idee: Wir starten eine Serie von täglichen und dann wöchentlichen Podcasts zu unterschiedlichen Themen. Als Einladung an die Hörerinnen und LeseInnen, über das Leben und seine Krisen und Hoffnungen nachzudenken und miteinander ins Gespräch zu kommen.
Es ist ein kleiner Kreis aus der Gemeinde, der diese Initiative organisiert, r es sind etliche, die als AutorInnen ihre Beiträge schreiben. Immer in aller Freiheit, entsprechend den Grundsätzen freisinniger Kirchen. Lebensfragen, Lebenserfahrungen stehen im Mittelpunkt.

Hier wird ein Beitrag von Christian Modehn vom 28.11.2023 publiziert, mit dem Hinweis weiter unten auf unterschiedliche Podcast-Beiträge der letzten Wochen. CM.

Ein Brief von Christian Modehn (Berlin) an den Philosophen Immanuel Kant in Königsberg.

Lieber Immanuel Kant,

ich will Ihnen meinen Dank aussprechen zu Ihrem Vorschlag, die christliche Religion als Religion der Vernunft zu verstehen. Das gehört zu Ihrem Programm, die universal für alle Menschen geltenden Prinzipien der Vernunft darzustellen. Ihre Erkenntnisse entsprechen nur der Einsicht, dass bei aller Unterschiedlichkeit der Menschen alle Menschen eben auch gemeinsam Menschen sind, als Menschen eigentlich von der Vernunft, dem Geist, bestimmt…

Angesichts der Kriege und der Gewalt jetzt muss ich zuerst daran erinnern: Sie haben gelehrt, dass es für alle Menschen eine gemeinsame Orientierung gibt für ein ethisches, ein menschenwürdiges Leben: Sie sprechen vom Kategorischen Imperativ: Jeder Mensch soll so handeln, dass seine persönlichen Optionen im Handeln, also seine Maximen, auch universal, für alle Menschen kategorisch gelten sollen. Von dieser Orientierung entfernt sich die Menschheit auch heute, wie schon so oft.
Trotzdem meine ich: Unser Auftrag ist, wo auch immer, in allen Gruppen und in jeder Gesellschaft, die allen gemeinsame Vernunft zu verteidigen. Also Nationalismus, Rassismus, Antisemitismus, religiösen Fundamentalismus mit der Kraft der Kritik zu bekämpfen. Ohne die Idee der universal geltenden Menschenrechte für alle kann es keine humane Welt geben. Sie muss in Zeiten des Waffenstillstands, in Zeiten des Friedens, gelehrt und „eingeimpft“ werden. Gilt jetzt etwa nur noch die Spirale der Gewalt?

Aber ich will mich für ein anderes Thema bei Ihnen bedanken: Sie nennen sich selbst „philosophischen Religionsforscher“. Und sind dabei ein Kritiker der christlichen Religion … Ihr Buch „Die Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft“ (auch nur „Religionsschrift“ genannt) wurde von Ihnen zwar schon 1793 veröffentlicht, aber Ihre Vorschläge sind alles andere als veraltet. Wir müssen heute Ihre Gedanken auf unsere Weise aktuell verstehen, das ist ja ein allgemeines Grundprinzip im Umgang mit „alten Texten“.

Ihr Buch ist ohne Zweifel eine Provokation, Sie betonen: Es gibt eine universale christliche Religion, eine Art „unsichtbare Kirche“, wie Sie schreiben, die alle Menschen aller verschiedenen Konfessionen umfasst. Man kann Katholik, Protestant, Orthodoxer und so weiter bleiben, soll aber anerkennen: Über allen Konfessionen mit ihren Dogmen steht die unsichtbare, also die nicht – institutionelle, die vernünftige Kirche. Sie ist wichtiger als jede einzelne Konfession. Nur so wird Frieden unter den Konfessionen möglich.
Und diese vernünftige Kirche hat nur ganz wenige Grundsätze. Sie sind Resultat vernünftiger Überlegung: Eine göttliche, schöpferische, göttliche Kraft gehört für Sie zum christlichen Vernunftglauben. Jeglicher Aberglaube, auch Wunderglaube, ist ausgeschlossen. Und dann ist für den Vernunftglauben zentral: Alle Menschen sollen frei leben können, also von Willkürherrschaft, auch klerikaler Willkür, befreit sein und in Respekt und Wohlwollen miteinander leben. Und als dritte Erkenntnis der Vernunftreligion: Es gibt eine innere Mitte in allen Menschen, eine geistige Dimension, die wir Seele nennen. Sie ist etwas Göttliches im Menschen ist, also unsterblich.

Im damaligen Preußen hatten Sie unter der Zensur des scheinheilig frommen Königs Friedrich Wilhelm II. zu leiden. Sie haben trotzdem ihre christliche Religion der Vernunft und Toleranz öffentlich voller Mut verteidigt. Sie sprechen von Jesus als einem „Lehrer“: „Zuerst will Jesus allein die reine moralische Herzensgesinnung“, und das heißt: „Befördere das Wohl der anderen Menschen aus unmittelbarem, nicht von eigennützigen Interessen abgeleiteten Wohlwollen“. Sie sprechen auch von der Teilnahme an Gottesdiensten am Sonntag, sie sind wichtig, um die Verbundenheit mit der Gemeinschaft zu stärken. Und Gebete haben für Sie den Sinn, wie auch die Poesie, die Dichtung, Menschen auf dem Weg einer menschenfreundlichen, ethischen Lebensweise zu bestärken.

Lieber Herr Kant, Sie sind ein universal gebildeter Mensch, keineswegs nur ein spezialisierter Philosoph, Sie kannten die Religionen, Kirchen und Konfessionen Ihrer Gegenwart. Den verfolgten antidogmatischen „Polnischen Brüdern“ (Sozzinianer genannt) galt Ihre Sympathie, und sicher waren Sie auch den „Arminianern“ (den heutigen Remonstranten) sehr gewogen. Vielleicht gehören Sie, lieber Herr Kant, zumal mit Ihrer „Religionsschrift“ zu den Philosophen, die eine moderne freisinnige Theologie und freisinnige Spiritualität inspirieren und unterstützen. Und sicher werden Sie auch in den Niederlanden bei „Freisinnigen“ deswegen schon längst geschätzt und geachtet.

Der Beitrag in niederländischer Sprache, der als Podcast produziert wurde.

Geschreven door Christian Modehn
Voorgelezen door Gert van Drimmelen
Geluidsmontage Seth Mook

Übersetzung: Dik Mook

Beste Immanuel Kant,
Graag wil ik u bedanken voor uw voorstel om de christelijke religie te begrijpen als ‘Religie van de rede’. Dit maakt deel uit van uw project, de universeel voor alle mensen toepasbare principes van de rede te schetsen. Uw inzicht is, dat ondanks alle verschillen tussen mensen, alle mensen ook samen mensen zijn, door de rede, de geest, het verstand bepaald…
Gelet op de oorlogen en het geweld van nu herinner ik me dat dat ik van u leerde dat er voor alle mensen een gemeenschappelijke oriëntatie is, een publieke moraal gericht op een ethisch, menswaardig leven. U spreekt van de categorische imperatief: ieder mens moet zo handelen dat zijn of haar persoonlijke keuzes in het leven, d.w.z. een Maxime zoals u dat dat noemt, universeel voor alle mensen, categorisch van toepassing zijn. De mensheid verwijdert zich echter ook vandaag de dag weer van deze oriëntatie, wat zo vaak is gebeurd.
Niettemin denk ik, dat het onze missie is, in alle groepen en in elke samenleving, waar dan ook, de algemeen geldende rede te verdedigen. Dus moeten we strijden tegen nationalisme, racisme, antisemitisme en religieus fundamentalisme met de kracht van kritiek. Zonder universele mensenrechten voor iedereen kan er geen humane wereld bestaan. Dat idee moet worden onderwezen, ‘ingeënt’ in tijden van staakt-het-vuren, in tijden van vrede. Want is de geweldsspiraal nu nog het enige wat ons rest?
Maar ik wil u voor nog iets anders bedanken. U noemt uzelf een ‘filosofische religie wetenschapper’. En u bent daarmee een criticus van de christelijke religie… Uw boek “De religie binnen de grenzen van de zuivere rede” (ook wel ‘Religionsschrift’ genoemd) werd weliswaar al in 1793 door u gepubliceerd, maar uw ideeën zijn allesbehalve achterhaald. We moeten uw gedachten van toen actualiseren, proberen in onze tijd te begrijpen. Dat is een algemeen basisprincipe als we met ‘oude teksten’ te maken hebben.
Uw boek is zonder twijfel een provocatie; u benadrukt dat er een universele christelijke religie bestaat, een soort “onzichtbare kerk”, zoals u schrijft, die alle mensen van alle verschillende geloven omvat. Je kunt katholiek, protestant, orthodox, enzovoort blijven, maar je moet erkennen dat boven alle godsdiensten met hun dogma’s de ‘Onzichtbare kerk’ staat, dat wil zeggen de niet-institutionele, de rationele kerk. Deze is belangrijker dan welk geloof dan ook. Dit is de enige manier waarop vrede tussen geloven mogelijk zal zijn.
En deze ‘Kerk van de Rede’ heeft heel weinig principes. Die zijn het resultaat van diep nadenken: voor u maakt een goddelijke, scheppende, creatieve kracht deel uit van het christelijke ‘Geloof van de Rede’. Elk bijgeloof, inclusief het geloof in wonderen, is uitgesloten. En dan is centraal in dat ‘Geloof van de Rede’, dat alle mensen in staat moeten zijn vrij te leven, dat wil zeggen vrij van willekeurige heerschappij, inclusief administratieve en klerikale willekeur. En dat in een samenleving waar respect en welwillendheid voorop staan. En het derde inzicht van dat ‘Geloof van de Rede’ is, dat er een innerlijk centrum is in alle mensen, een spirituele dimensie die we de ziel noemen. Het is iets goddelijks in de mens, en daarom onsterfelijk.
In het toenmalige Pruisen had u te lijden onder de censuur van de schijnheilige, vrome koning Friedrich Wilhelm II. Niettemin verdedigde u moedig uw christelijke ‘Religie van de Rede’ en tolerantie. U spreekt van Jezus als een ‘leraar’: “Allereerst wil Jezus alleen de zuivere morele gerichtheid van het hart”, en dat betekent: “Bevorder het welzijn van andere mensen uit directe welwillendheid die niet voortkomt uit egoïstisch gedrag.” U spreekt ook over het bijwonen van kerkdiensten op zondag, die belangrijk zijn voor het versterken van de band met de gemeenschap. En voor u hebben gebeden, net als poëzie, de betekenis om mensen aan te moedigen een humane en ethische manier van leven te lijden.
Geachte heer Kant, u bent een universeel geschoold persoon, zeker niet slechts een gespecialiseerde filosoof; u kende de religies, kerken en geloven van uw tijd. U had sympathie voor de vervolgde anti dogmatische ‘Poolse Broeders’ (genaamd Socinianen), en u had zeker ook veel waardering voor de ‘Arminianen’ (de huidige Remonstranten). Misschien bent u, heer Kant, een van de filosofen die de moderne, liberale theologie en liberale spiritualiteit inspireren en ondersteunen, vooral met uw geschrift ‘Religie binnen de grenzen van de zuivere rede’. En daarom ook wordt u al lang gewaardeerd en gerespecteerd door vrijzinnigen en Remonstranten in Nederland.

Veröffentlicht als Podcast am 28.11.2023

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Beste Murad, #279 door Vrijzinnige Miniaturen
Zondag a.s. 5 november 10.30 uur Vrijburg laat Thijs Launspach voorgaan door Rachelle Van Andel
Beste Onzichtbare Onbekende, #278 door Vrijzinnige Miniaturen
Zondag a.s. 29 oktober 10.30 uur: over de zegen door Joost Röselaers
Brief aan mijn toekomstige kind, #277 door Vrijzinnige Miniaturen
Brief aan iemand anders, #276 door Vrijzinnige Miniaturen
Voor als het nieuws je overspoelt door Rachelle Van Andel
Aan alle katten die ik gehad heb, #275 door Vrijzinnige Miniaturen
Zondag a.s. 10.30 uur. Dienst met als thema ‘bevrijdende liefde’ door Joost Röselaers
Hey Jimi, #274 door Vrijzinnige Miniaturen
Vrijburg laat tenorsolist Pablo Gregorian horen – 1 oktober in Vrijburg door Rachelle Van Andel
Tekst van de overdenking van Joris Luyendijk, uitgesproken op 17 september in Vrijburg Amsterdam door Joost Röselaers
Zondag a.s. 17 september Vrijburg laat Joris Luyendijk voorgaan door Joost Röselaers
Crossing the waters – Mpho Tutu in Het Concertgebouw door webmaster
Zondag a.s. 20 augustus 10.30 uur: Dienst o.l.v. Joost Röselaers door Joost Röselaers
Zondag a.s. : dienst aan de hand van gedichten en gedachten van Lieke Marsman door Joost Röselaers
Anders Winnen, #272 door Vrijzinnige Miniaturen
Lezen, #271 door Vrijzinnige Miniaturen
Het is feest! Alles over ons jubileum weekend voor 90 jaar Nieuwe Rem 17/18 juni a.s. – Kom je ook? door Bestuur Vrijburg
Moedig tegen de klippen op, #270 door Vrijzinnige Miniaturen
Zondag a.s.: Vrijburg laat Joyce Sylvester voorgaan door Joost Röselaers
(s)preken, #269 door Vrijzinnige Miniaturen
Toekomst, #268 door Vrijzinnige Miniaturen
Je verjaardag, een halteplaats in de tijd, #267 door Vrijzinnige Miniaturen
Bal Masqué, #266 door Vrijzinnige Miniaturen

Freisinnig und undogmatisch glauben: Die Remonstrantenkirche „Vrijburg“ in Amsterdam.

90 Jahre Remonstrantenkirche „de Vrijburg“ in Amsterdam

Ein Hinweis von Christian Modehn am 25.7.2023

1.
Die Remonstranten in Amsterdam feiern ein Jubiläum: Seit 90 Jahren steht ihre große Kirche im Süden Amsterdams: Sie heißt „Vriburg“, ist aber keine Trutzburg, nicht abweisend, sondern einladend: Innen viel Licht und Wärme, ein meditativer Ort, in dem Sonntags immer Gottesdienst gefeiert wird, anspruchsvoll die Predigt, von hohem Niveau die Kirchenmusik und …freundschaftlich die Treffen danach beim obligaten „coffie“ of thee.
2.
Ihrer Festschrift zum 90. Geburtstag der Kirche hat die Gemeinde den Titel gegeben „Eine Oase in der Wüste“, ein Zitat aus der Gründerzeit, als tatsächlich die Kirche noch auf einem freiem Feld stand. Jetzt ist die Kirche umgeben von eher vornehmen, bürgerlichen Wohnhäusern, der Bahnhof Amsterdam Zuid ist in der Nähe.
Die Kirche wurde vor allem von Spenden der Mitglieder errichtet. Die Remonstranten hatten in der Keizersgracht im Stadtzentrum damals noch ihre „versteckte“ Kirche, mit dem Titel „Der rote Hut“, eine Art Deckname, bedingt durch die Religionspolitik des Staates, der der kleinen, etwas aufsässigen, liberal-gesinnten Remonstranten – Kirche (den „Arminianern“) keine freistehenden Kirchengebäude gestattete (wie den Katholiken auch).
3.
Jetzt zählt die Remonstrantengemeinde in Amsterdam mehr als 100 Mitglieder, sie arbeitet in „de Vrijburg“ mit der freisinnigen Strömung innerhalb der Protestantischen Kirche der Niederlande (einst „Hervormde Kerk“) seit 1974 zusammen.
Um das Kirchengebäude mit allen Nebenräumen (auch dem offenen Jugendkeller) zu pflegen und zu erhalten, ist die Gemeinde darauf angewiesen, während der Woche die „Vrijburg“ zu vermieten, auch kleine fremdsprachige Kirchengemeinden gehören zu den Mietern.
4.
In den 1980er Jahren war die Gemeinde gesellschaftlich und friedenspolitisch deutlich engagiert, man kann sagen, mit einer gewissen Tendenz zur linken Politik. Etliche eher politisch konservative Gemeindemitglieder haben sich deswegen von „de Vrijburg“ distanziert, so wird in der Remonstrantenzeitschrift ADREM (Juli 2023, S.28) berichtet, diese Mitglieder waren offenbar stark mit der rechtsliberalen Partei VVD verbunden. „Jetzt ist die Gemeinde weniger politisch, einige (konservative) Mitglieder sind zurückgekehrt. Die Gemeinde ist sich aber gesellschaftlich sehr bewusst, mehr auf individuellem Niveau“, betont der Pastor Joost Röselaers in der Zeitschrift ADREM.
5.
Jetzt nehmen Gemeindemitglieder aber auch an Blockaden der Autobahn A 12 durch die Protest-Bewegung Extinction Rebellion teil“, berichtet er in ADREM weiter.
6.
Und die Tochter des bekannten Menschenrechtlers Bischof Desmond Tut (Südafrika), die Pastorin der Episcopal Church, Mpho Tutu van Furth, ist als Pastorin in de Vrijburg tätig. Immerhin, ein Hinweis, dass die Gemeinde Interesse hat, internationaler zu werden auch durch Mitglieder, die nicht zu den „klassischen weißen Holländern“ gehören. Pastorin Mpho Tutu van Furth hat sozusagen „Zuflucht“ gefunden bei den Remonstranten, sie ist, mit einer Frau verheiratet, willkommen. Eine so genannte „gleichgeschlechtliche Ehe“ hat der anglikanischen Kirche nun gar nicht gefallen…Überhaupt, und das ist wichtig, hat de Vrijburg schon Ende der 1980er Jahre als erste Kirche weltweit überhaupt, Partnerschaften von Homosexuellen gesegnet, auch von Menschen, die nicht Mitglieder dieser Kirche waren.
7.
Das Forum der Remonstranten und den mit ihm verbundenen Religionsphilosophischen Salon Berlin haben zwei aktive Mitglieder der Vriburg Gemeinde, Margriet Dijkmans van Gunst und Dik Mook, gelegentlich besucht und dadurch auch ermuntert. Sie haben in den letzten Jahren auch eine viel beachtete Serie von Podcasts gestaltet.

Umfassende Informationen über die Gemeinde: LINK    www.vrijburg.nl

Christian Modehn, Religionsphilosophischer Salon Berlin.

Trinität, Dreifaltigkeit, als Dogma überwinden!

Ein Hinweis von Christian Modehn, Juni 2023

1.

Für die Frage nach Gott oder dem Göttlichen oder dem Ewigen oder dem „alles tragenden Lebenssinn“ interessieren sich noch viele Menschen.
Als zusätzliches Problem erscheint für die meisten die Frage nach der göttlichen Dreifaltigkeit, der Trinität. Dabei gilt dieses Dogma innerhalb der Kirchenleitungen als etwas „unterscheidend Christliches“, also in den herrschenden, sich „orthodox, rechtgläubig“ nennenden Kirchen, wie bei den Römischen Katholiken, den Orthodoxen, den Lutheranern, den Reformierten (Calvinisten etc.). Der folgende Beitrag zeigt, dass spirituelles Leben im Sinne Jesu von Nazareth selbstverständlich ohne das Trinitäts – Dogma sehr gut möglich ist.

2.

Der internationale geschätzte (Konzils-) Theologe Karl Rahner SJ schrieb 1973 in seinem Lexikonbeitrag „Trinitätstheologie (Herders Theologisches Taschenlexikon, Band 7, S. 353): „ Es muss noch darauf hingewiesen werden, dass die Lehre von der Trinität im konkreten Leben der Christen und in der Predigt, wenn überhaupt, dann nur eine sehr bescheidene Rolle spielt“.
Einen Grund für diese diese treffend beschriebene Tatsache nennt Rahner leider nicht. Die Wahrheit ist: Die Trinitätslehre, das Dogma, ist so „äußerst hochkomplex“, so sehr und so heftig eingebunden in eine metaphysische Sprachwelt des 4. Jahrhunderts n.Chr., dass sie, von wenigen Spezialisten abgesehen, heute niemand mehr versteht. In dem genannten Taschenlexikon – für weite Kreise bestimmt – braucht Rahner immerhin 13 Seiten, um das schwierigste aller theologischen Themen zu erklären. Wer diesen Rahner – Text verstanden hat, also in heute nachvollziehbaren Worten wiedergeben kann, möge sich bei mir melden.

3.

Wie unter Theologen üblich, wird von Rahner nicht erwähnt, wie stark die imperiale kaiserliche Macht damals interessiert war, Jesus von Nazareth als göttlichen Pantokrator auszugeben, und zwar aus dem einfachen Grund: Die Kaiser wollten sich als Nachfolger dieses göttlichen Christus – Pantokrator absolut aufwerten. Solches Ausblenden politisch – ideologischer Zusammenhänge beim Entstehen von Dogmen ist typisch für eine breite Tradition katholischer Theologie in Europa. Deswegen ist sie auch so irrelevant.

4.

Rahner selbst gibt zu, dass die Trinität, so wörtlich, „ein absolutes Geheimnis“ ist, das auch „nach seiner Offenbarung nicht rational durchschaubar ist“ (ebd. S. 342). Die Trinität ist also nicht nur nicht rational durchschaubar, das wäre schon viel verlangt, sie ist als solche nicht einmal als Faktum rational erreichbar. Also ein „absolutes Geheimnis“.
Wer also dem Trinitätsdogma glaubend folgt, verzichtet bewusst auf jegliche Relevanz seines eigenen Geistes, seiner eigenen Vernunft. Diese Haltung, die zu dummem Schweigen führt, kann kein vernünftiger Mensch noch menschlich nennen. Menschen auf rational total bzw. absolut (!) Geheimnisvolles festzulegen, ist einzig Sache der so genannten Sekten, nicht aber der Menschen, die irgendwie den Lebensweg Jesu von Nazareth noch inspirierend finden und die Gottesfrage gerade mit ihrer Vernunft „klären“ wollen.

5.

Nur eine „Kostprobe“ zu trinitarischen Formeln, sehr dicht an dem offiziellen, bis heute in Messen etc. gesprochenen Glaubensbekenntnis:
Es handelt sich demnach bei der Trinität um eine transzendente, himmlische real existierende Idee: Es ist der eine Gott mit einem Wesen und drei Hypotasen („Personen“) im „Himmel“. Gott selbst ist als erste „Person“ der Vater; die zweite Hypotase („Person“) trägt den Namen Christus. Er wurde „vor aller Zeit gezeugt“ (ohne Anwesenheit von Frauen, dann aber irgendwie auch himmlisch „geboren“). Dieser Christus hat zwei Naturen, eine göttliche und eine menschliche. Aber immerhin ist diese Hypotase so wirkungsvoll, dass aus ihm wie auch aus dem Vater der heilige Geist „ausgeht“ (im Sinne eines „Hervorgangs“, sagt die offizielle Deutung, was immer das bedeuten mag, CM). Die orthodoxen Kirchen des Osten behaupten nun, dass der heilige Geist nur aus dem Vater ausgeht! Wegen dieser „verknallten Spekulation“ kam es letztlich auch zum Bruch zwischen West – Kirche und Ost – Kirche … bis heute. Dieser heilige Geist wird in der christlichen Ikonographie als Taube dargestellt, (nebenbei: ob als „Ringeltaube“ ist umstritten, hübsch wäre auch die „Rotschwanz-Fruchttaube“, CM). Wer noch eine Nuance Rahners mag, etwa zur Zahl „drei“ innerhalb der Trinität: „Vater, Sohn und Geist können in Gott `drei` gezählt werden, wobei man sich allerdings dessen bewusst sein muss, dass man das zusammenzählt, was als reiner Unterschied im numerischen Einen der Wesenheit nicht unter einen Begriff einer Menge von Gleichartigem gebracht werden kann und darf“ ( ebd. S 351).

6.

Nun hat die zweite Person der himmlischen Trinität, der Sohn bzw. der Logos, einmal zu einem bestimmten Zeitpunkt die intern göttliche Welt verlassen und hat „Fleisch angenommen“, wie es offiziell heißt, in der Person Jesus von Nazareth, der von ca 1 nach unserer Zeitrechnung bis ca. 35 lebte. Zu dieser Zeit muss als in der himmlischen Trinität die zweite Person (der „Sohn“) gefehlt haben. Es gab also einmal – in diesem Denken – einmal einige nicht – trinitarische „Momente“ innerhalb der himmlischen Trinität: Dies nur als kleine Kostprobe zu den Fragen, die sich spekulativ ergeben… Und die ganze klassische Dreifaltigkeitstheologie fragwürdig erscheinen lassen.

7.

Die Trinitätslehre aus dem 4.Jh. (man hat darüber gerätselt und debattiert und publiziert mindestens bis zum Konzil von Florenz 1439) ist, vornehm ausgedrückt, heute eine überflüssige Alt-Last, weniger vornehm: ein störender Klumpen, ein Ballast, den es nun endlich beiseite zu legen gilt … als Akt der Befreiung.

8.

Die „Trinität“ ist für uns also nicht mehr als ein uraltes, jetzt nur noch für Historiker interessantes Bild, so, wie die religiöse Rede von Engeln im Christentum nichts als ein hübsches, aber letztlich überflüssiges Bild ist. Die außer – christliche Esoterik interessiert sich leidenschaftlich für die Engel, Pater Anselm Grün, der viel – schreibende Benediktiner, auch… Auch der Mythos von der Erbsünde ist nichts als ein Bild, aber kein Dogma mehr, sagen vernünftige Theologinnen heute. Dasselbe gilt für die Rede von der „unbefleckten Jungfrau Maria“.

9.

Dass damit ein Diskussionsfeld eröffnet wird, in dem die Konservativen, die Reaktionären und Traditionalisten alle ihre angeblich scharfen Argumente noch einmal gegen angeblich „böse Irrlehrer“ vorführen, ist klar. Die sich „rechtgläubig“ nennenden Kirchen (also römische Katholiken, Orthodoxe aller Couleur, Lutheraner, Calvinisten …) haben im Laufe ihrer Herrschaftsgeschichte bewiesen, wie sie mit dogmatischen Erneuern und Reformatoren gerade hinsichtlich der „Trinität“ umgehen: Der Theologe Michel Servet (bekannt und geschätzt durch sein Werk „De trinitatis erroribus“, 1531) wurde vom Reformator Calvin am 26. Oktober 1553 öffentlich in Genf (!) verbrannt. Die Theologen Sozzini (etwa Fausto Sozzini 1539-1604) als argumentierende und hoch gebildete Anti-Trinitarier und ihre kleine mutige Gemeinschaft der „Polnischen Brüder“ wurden verfolgt usw. An die Vorbehalte des großen Theologen Erasmus gegen die Trinitäts – Lehre müsste erinnert werden oder auch an die heute noch bestehende freisinnige christliche Kirche der Remonstranten. Ihr offenes Glaubensbekenntnis von 2006 versucht die göttliche Wirklichkeit jenseits trinitarischer Formeln auszusagen, ein einmaliger Vorgang in einer christlichen Kirche heute. LINK.

10.

Seit einigen Jahren haben sogar wenige katholische Theologen den Mut, ihre Zweifel an der offiziellen „Trinitätslehre“ öffentlich zu äußern. Ich denke da vor allem an Professor Edward Schillebeeckx, der lange Jahre als Theologe an der Universität Nijmegen lehrte. In dem Interview-Buch „Edward Schillebeeckx im Gespräch“ (Luzern 1994, Edition Exodus) sagt Schillebeeckx klar und deutlich: „Ich bin im Hinblick auf eine Trinitätstheologie fast ein Agnostiker“ (S. 107). Zuvor hat er in wenigen Sätzen erklärt, was ihn zu dieser Erkenntnis geführt hat: „Im Glaubensbekenntnis geht es nicht um die drei göttlichen Personen…Ich glaube an den heiligen Geist, der für mich allerdings ein großes Problem darstellt. In der Bibel ist der heilige Geist ein Geschenk, nicht eine dritte Person: Er ist die Seinsweise Gottes selbst, der sich den Menschen als Geschenk gibt“ (S. 106).

11.

Damit bietet Schlillebeeckx entscheidende Hinweise: Gott selbst ist, wenn man schon sprachlich sich auf ihn bezieht, nur als Geist denkbar, auch nicht als „Person“ im landläufigen Sinne, schon gar nicht als Materie, als Klotz, als Stein oder was… Sondern als ewiger Geist, und weil Geist, eben auch lebendig- tätig- schöpferisch. Auch Geist kann im populären Verständnis von „Geistern“ etc. falsche Assoziationen wecken… Auch „Geist“ als Beschreibung des Ewigen, Göttlichen, ist also sehr differenziert zu verstehen.

12.

Zunächst folgen wir der Spur, die zu einem neuem Verständnis des „heiligen Geistes“ führt, der nicht als göttliche „Person“ verstanden werden sollte.
Unser Ausgangspunkt ist die menschliche Selbsterfahrung des Geistes: Im menschlichen Geist als Vernunft, als Emotion, zusammengefasst als „Seele“, gestalten wir unser menschliches humanes Leben, mit allen seinen vielfältigen Produktionen des Geistes und der Vernunft, mit seinen ständigen Reflexionen und Entscheidungen, auch zwischen Böse und Gut, um es klassisch moral-philosophisch zu sagen.
Es unser Geist, der seine Lebendigkeit zeigt. Aber was soll dann noch ein heiliger Geist, offenbar ein zusätzlicher Geist in uns? Wann und wo und wie wirkt denn dieser zweite Geist in uns? Etwa nur, wenn es sich um explizit religiöse und spirituelle Fragen handelt?
Aber kann der allgemeine, der menschliche Geist nicht von sich aus auch in der Auseinandersetzung mit Lebensfragen, in der Begegnung mit Kunst usw. Spuren der Transzendenz und des Göttlichen entdecken? Lehrt nicht sogar die katholische Kirche im Ersten Vatikanischen Konzil schon, dass der „natürliche“, also der allgemeine menschliche Geist Gott erkennen kann? Wozu dann noch diese behauptete doppelte Geist – Struktur in der einen geistigen Selbsterfahrung des Menschen? Kann der menschliche Geist nicht von sich auch Erstaunliches, wunderbar Genanntes, erleben?

13.

Die Rede von einem zusätzlichen, zweiten Geist, einem heiligen Geist, im Menschen ist also überflüssig.
Aber was bedeutet dann die literarische Erzählung im Neuen Testament von der Begeisterung der ersten kleinen Gemeinde, die behauptet, zu „Pfingsten“ mit dem heiligen Geist beschenkt worden zu sein? Unsere Antwort: Diese ersten Christen fühlten sich durch ihren eigenen Geist ermutigt, als kleine Gemeinschaft weiter zu leben und ihren Glauben weiter zu gestalten: Diese allgemein menschliche Einsicht, Reflexion und Entscheidung, deuteten sie bei dem damals religiös-kulturell üblichen Enthusiasmus als besondere Gabe Gottes, als besonderen, gegenüber dem eigenen Geist noch zusätzlich gegeben göttlichen, heiligen Geist. Diese Deutung von „Pfingsten“ durch die ersten Christen ist also kulturell bedingte Deutung anzusehen.
Diese ersten Christen hatten wie alle anderen Menschen ihren Geist, ihre Vernunft, ihre Emotionen usw. Und dieser Geist der Menschen ist – theologisch gesehen – der Geist, den der unendliche „Schöpfer“ der Evolution der Welt und der Menschen den Menschen erschaffen hat. Es ist also der von Gott geschaffene Geist (Vernunft) im Menschen, der auch zu religiösen Erkenntnissen führt. Einen zweiten, im Menschen irgendwie und irgendwann wunderbar wirkenden zusätzlichen göttlichen Geist braucht die Menschheit nicht. Denn der menschliche Geist (Vernunft) als Gottes Schöpfung ist heilig.

14.

Mit dieser Skizze wird deutlich: Der so genannte heilige Geist ist eine vom Überschwang bestimmte Konstruktion. Der heilige Geist ist also keine Person einer göttlichen Trinität: Denn Gott selbst ist schöpferischer Geist, der seinen Geist der evolutiven Welt (und den Menschen) mit – teilt…Es gilt also „Gott als den Ewigen als absolute Einheit zu denken“ (vgl. Kurt Flasch, „Christentum und Aufklärung“, Frankfurt/Mn., 2020, S 354)

15.

Es bleibt die Frage, wie denn Jesus von Nazareth als Logos in die „Trinität“ als die „zweite Person“ hineingesetzt werden konnte. Dazu hat der katholische Theologe Prof. em. Hermann Häring (Tübingen) in PUBLIK-FORUM( Heft 10/2023, S. 36 f.) einige Hinweise gegeben unter dem Titel „Die kirchliche Trinitätslehre ist überholt“. Häring schreibt: „Jesus hat sich nie als Teil einer Trinität verstanden, der ihm zugeschriebene Titel Sohn Gottes ist meilenweit entfernt von der zweiten innergöttlichen Person… Unser Bruder Jesus ist zum Träger von Gott gegebener Weisheit geworden. Dazu braucht es keine Dreifaltigkeit“ (S. 36). Im leider ziemlich knappen Beitrag betont Häring treffend: „Man habe in der Kirche diesen Trinitätsglauben aus kindlichem Glaubensgehorsam bewahrt“ (S. 37). Und er schlägt wie auch der Autor dieses Hinweises „eine Generalrevision unserer Glaubenskonstrukte“ vor (ebd.)

16.

Man muss den genannten Spuren folgen und „Jesus von Nazareth“ endlich wieder als Menschen sehen, als „unseren Bruder“, bezeichnen und als solchen auch religiös respektieren. Jesus von Nazareth ist einer von uns Menschen. Er zeigt in seinem Leben, dass er wie die Menschen überhaupt mit kreativem menschlichen Geist, als der Gabe des schöpferischen Gottes, ausgestattet, „beschenkt“, ist. Mit anderen Worten: Jesus von Nazareth zeigt, dass alle Menschen als Geschöpfe Gottes gemeinsam gleichberechtigte Brüder und Schwestern sind, im Bild gesprochen des einen „schöpferischen Vaters“…Es ist also die eine geistvolle Menschheit gemeint, die sich auch in Kirchen sammeln kann, um diese Erinnerung an den einen „Vater“ aller aktuell, auch politisch, aber auch meditativ lebendig zu gestalten.

17.

Aus der „Trinität“ ist also nicht nur der „heilige Geist“ als Person bzw. als Taube befreit. Aus der Trinität ist auch Jesus von Nazareth befreit. Was bleibt? Der eine ewige Gott, den viele als den geistvollen Schöpfer der evolutiven Welt und der Menschen ansehen und verehren, mit religiösen Menschen anderer Religionen…

18.

Aber auch bei diesem Bild, das sinnvoller und geistvoller,„vernünftiger“ und biblischer ist als das Bild „Trinität“, bleiben Fragen: In der Mystik und bei wenigen zeitgenössischen Theologen wird das Bild Trinität oder das Bild des einen schöpferischen Gottes noch einmal weiterentwickelt bzw. überwunden. Denn das Bild des einen schöpferischen Gottes lässt viele Probleme offen: Der schöpferische Gott hat den Menschen als Freiheit geschaffen, aber: Diese von Gott geschaffene Freiheit kann der Mensch auch zum Bösen, Krieg etc. gestalten. Das heißt doch wohl: Dass damit auch Gott als der Schöpfer dieser menschlichen Freiheit ins Böse mit hineingezogen wird.

19.

Gibt es also noch einen größeren Gott als das Bild des schöpferischen Gottes (vielleicht auch klassisch noch als Trinität)?
Meister Eckart (1260-1328) dachte an die „Gottheit“, sozusagen an den „Gott über Gott“. In seiner „deutschen Predigt“ mit dem Titel „Selig die Armen“, bezogen auf Matthäus 5,3 heißt es: “Darum bitte ich Gott, dass er mich Gott-los (wörtlich Gottes quitt) mache. Denn mein wesentliches Sein ist oberhalb von `Gott`, sofern wir Gott als Ursprung der Welt fassen“(vgl. „Meister Eckart. Einheit mit Gott“, hg. von Dietmar Mieth, Düsseldorf 2002, S. 154). Es geht also bei diesem Gott über „Gott“ um eine Idee über allem Sein und über aller Unterschiedenheit…
Auch Paul Tillich dachte Gott jenseits eines Theismus, der sich auf drei göttliche Personen bezieht. Eine authentische religiöse Lebensform ist für Tillich „Der Mut zum Sein“, der seinen Halt findet in dem „Gott über Gott“ (GW XI. S. 138 f). Siehe auch: „Paul Tillich“ von Werner Schüssler und Erdmann Sturm, Darmstadt, 2007, S. 163ff): „Die Idee von dem Gott über Gott, dem letzten Grund allen Seins,  der erschient, wenn der Gott , dem wir Namen geben, versunken ist – , mag mir in der unbewussten Erinnerung an Dionysios (Areeopagita) gekommen sein“ (S. 166). „Gott über Gott“ ist also ursprünglich ein neuplatonischer Gedanke….

20.

Was also ist erreicht in dem hier nur angedeuteten Versuch, das Dogma der Trinität beiseite zu legen und für eine „einfache“ Spiritualität zu plädieren?
Es wurde beispielhaft gezeigt, dass eine moderne Theologie und ihr folgend Kirchen, die den Begriff modern für angemessen und richtig finden, (denk-)möglich sind. Dieser Hinweis will von Begriffen und Lehren befreien, die nur noch wie altes, verstaubtes Mobiliar in den Kirchen herumstehen und nur Historiker noch interessieren dürfen.
Spirituelle Christen können sich also vom Ballast der Traditionen lossagen, befreien, wenn sie denn nicht von Angst vor dem Klerus bestimmt bleiben wollen.
Und wichtig ist, dass Theologie wieder sich eine sehr lebhafte, erneuerungsbereite kritische Forschung zeigt…

21.

Wie sich diese von der alten „Trinität“ befreite Theologie zu den vielfältigen Formen der Unitarier bzw. unitarischen Kirchen verhält, ist eine andere Frage. Sie kann hier nicht beantwortet werden, weil die unitarischen Glaubensformen selbst noch sehr bezogen sind auf die alte, „klassische“ Trinitätstheologie.
Unser Vorschlag geht ja dahin, den Gedanken Gott über „Gott“ im Sinne Meister Eckarts neu zu denken, von diesem „anderen“ Denken wären dann auch die unitarischen Glaubensformen betroffen.

22.

Zusammenfassung:
Gott als der Ewige, der letzte Grund unseres Seins, ist Geist.
Jesus von Nazareth ist Vorbild und Inspiration für ein „menschliches Leben“, das diesen Namen verdient.
Der Geist ist heilig, weil er als Gottes Schöpfung im Menschen anwesend ist, als das Belebende, lebendig Machende.
Die Konsequenzen dieser Theologie sind deutlich:
Wir brauchen keine Ideologie der Erbsünde mehr, wir brauchen keine Klerus-Macht, sondern die Gemeinschaft der spirituell Suchenden, einander Ermunternden…
Selbstverständlich wird dann auch die so genannte Erlösungs-Lehre der Kirchen neu gesehen: Der „Logos“, der vom Himmel herabsteigt und „Fleisch annimmt“, (Weihnachten!!), wird durch das Bild ersetzt: Jesus von Nazareth ist ein Vorbild der Menschlichkeit. Ihm in seiner Menschenfreundlichkeit zu folgen, kann erlösend sein. Aber nicht die metaphysische Kraft eines vom Himmel herabgestiegenen Logos (also die 2. Person der Trinität).
Eine gewisse, ganz andere „Trinität“, also dann doch. Aber eine  nachvollziehbare, nicht als total „geheimnisvoll“ behauptete…
Eine andere „Trinität“, die zu denken … und zu leben gibt – auch im Gespräch mit anderen Religionen und Konfessionen, mit den Kulturen und anderen „Darstellungen“ des Geistes…

Copyright: Christian Modehn, Religionsphilosophischer Salon Berlin

Remonstranten und die (Abschaffung der) Sklaverei in den Niederlanden

Ein Beitrag des Theologen Simon Vuyk.

Von Christian Modehn am 14.7.2023

1.
In den Niederlanden ist die Anerkennung der Schuld an der Sklaverei nun eine offizielle, eine definitive Tatsache, vom König Willem-Alexander höchstpersönlich ausgesprochen. Er hat sich am 1. Juli 2023, dem 150. Jahrestag der Abschaffung der Sklaverei durch die niederländische Regierung, für die Grausamkeit und Unmenschlichkeit durch Niederländer öffentlich entschuldigt.
Am 1. Juli 1863 hatten die Niederlande als eines der letzten Länder Europas (!) die Sklaverei offiziell abgeschafft, die Arbeit auf den Plantagen Surinams endete allerdings erst zehn Jahre später. Die Regierung der Niederlande hatte zuvor in über 200 Jahren etwa 600.000 Menschen (Schwarze) versklavt.
„Keti Koti“, „zerbrochene Ketten“ in der kreolischen Sprache, ist das neue humane Leitwort in einem Holland, das sich mit der „Aufarbeitung“ der eigenen dunklen Vergangenheit schwer tat und schwer tut.

2.
Die Kirchen in den Niederlanden haben sich zum Thema schon seit einigen Monaten geäußert. Der „Raad van Kerken in Nederland“ hat eine entsprechende ökumenische Arbeitsgruppe zusammengestellt. LINK

3.
Aus naheliegenden Gründen interessieren wir uns besonders für die Frage: Wie sieht es mit dem Protest der Remonstranten gegen die Sklaverei aus?
Zu dem Thema hat jetzt der remonstrantische Theologe Prof. Simon Vuyk in der Monats-Zeitschriften ADREM (Juli 2023) einen kurzen, aber erhellenden Beitrag verfasst. Hier nur einige wesentliche Erkenntnisse des Theologen und Historikers Simon Vuyk:

4.
Am 24.9.1794 wurde in der Remonstranten Kirche von Delft eine aus Surinam stammende Sklavin getauft, sie erhielt den Namen Maria Zara Johanna. Damals ein Ereignis für die ganze Stadt. Diese Taufe fand gegen den Willen der Besitzer der Sklavin statt, aber sie war nun in den Niederlanden angekommen, und somit ein freier Mensch. „Unterstützte die Gemeinde die Frau nach der Taufe oder blieb sie sogar abhängig von ihrem früheren Eigentümer? Das wissen wir nicht“, hießt die ernüchternde Aussage von Simon Vuyk.

5.
Ebenso ernüchternd die weitere Aussage: „Die Niederlande kannten keine organisierte Bewegung gegen den Sklavenhandel und die Sklaverei, trotz des großen Anteils unseres Landes an diesem schrecklichen Unternehmen“. In einer Studie über „Rotterdam in slavernij“ von Alex van Stipriaan (2020) finden sich unter den Anhängern (Profiteuren) wie auch den Gegnern der Sklaverei auch Remonstranten. Diese Situation ist wohl typisch für ein (gehobenes) Bürgertum, das am eigenen Wohlstand und „Gewinn“ (wie Vuyk schreibt) interessiert ist.

6.
Aber es gab einige große Leistungen von einigen Remonstranten gegen die Sklaverei: Hervorzuheben ist der Remonstrant und Pastor in Utrecht, Jan Konijnenburg (1758-1831), er gründete Zeitschriften, in denen er seinen Protest gegen die Sklaverei öffentlich machte. Er war so großzügig, „goed liberaal“, „gut liberal“, schreibt Vuyk offenbar etwas ironisch, um auch einen Verteidiger der Sklaverei in seinem Blatt Platz zu Wort zu kommen zu lassen. Aber des Pastors Widerstand gegen die Sklaverei war sehr deutlich! Das hat der Autor Simon Vuyk in seiner Studie „Vision van Vrijheid“, Hilversum 2013, im Detail nachgewiesen.

7.
Aber die meisten anderen Pastoren der Remonstranten (und die Gemeindemitglieder) folgten NICHT dem deutlichen Engagement von Jan Konijnenburg, schreibt Simon Juyk in ADREM. Nur einzelne Stimmen wie die des Dichters Hendrik Tollens (1780-1856) oder des Pastors Martinus Cohen Stuart (1824-1878) wandten sich öffentlich gegen die Sklaverei. Die Abschaffung der Sklaverei durch die niederländische Regierung geschah erst 1873. Aber Simon Vuyk schreibt in ADREM: „Danach importierte das Königreich der Niederlanden Gastarbeiter aus Hindustan (Indien) nach Surinam, aber diese Menschen wurden dort noch schlechter behandelt als die Schwarzen (Sklaven).

8.
Der Theologe und Historiker Simon Vuyk ist deutlich in seinem abschließenden Urteil: „Es gibt zu denken, dass Missstände (in Holland) bestehen blieben, trotz der Kenntnis der unmenschlichen Behandlung von Sklaven. Und zwar blieben die Missstände bestehen, „wegen des eigenen (materiellen) Gewinns und unsrer Habgier. Die Sklaverei verschwand zu guter Letzt aus der niederländischen Gesellschaft, aber das System der Habgier blieb“.

9.
So wird nun, mit höchster, königlicher Ermunterung, sicher eine neue Epoche in den Kirchen der Niederlande beginnen hinsichtlich der Frage: Wie können wir den heutigen Sklaven und Sklavinnen – etwa den Kindern, die unter grausamen Bedingungen in Afrika nach seltenen Erden graben müssen oder den Frauen, denen die Menschenrechte verweigert werden, beistehen. Und wie können unsere Kirchen – auch die Remonstranten – immer mehr zu Orten werden, in den sich Menschen vieler unterschiedlicher Kulturen und Hautfarben als Mitglieder wohlfühlen. Kirchengemeinden sind nur als Orte der Begegnung unterschiedlicher Menschen aus unterschiedlicher Kulturen in Gleichberechtigung möglich und sinnvoll, natürlich eine theologische Selbstverständlichkeit und überflüssig dies zu betonen.

10.
Über das umfangreiche Werk des remonstrantischen Theologen und Historikers Simon Vuyk informiert die wikipedia Seite auf Niederländisch. LINK

Copyright: Christian Modehn, Religionsphilosophischer Salon Berlin.

 

Spiritualität im März: Wenn Natur und Naturschutz zum Thema werden

Spiritualität im März: Wenn Natur und Naturschutz zum Thema werden.

Licht im Wald
Licht im Wald

Wie alle kurzen Beiträge zu einer „säkularen Spiritualität“ ist auch der Hinweis zum Monat März inspiriert von der remonstrantischen Pastorin Christiane Berkvens-Stevelinck und dem reformierten Theologen Sietze de Vries. Sie haben gemeinsam das Buch verfasst „Vieren und brevieren“ („Feiern und beten“), Verlag Meinema. 2009.

Der März als „Monat des Frühlingsbeginns“ ist die Zeit, in der die Natur sichtbar-lebendiger wird, in der manche Menschen wieder etwas mehr Hoffnung haben, „weil ja die Natur trotz allen (kriegerischen) Wahnsinns der Menschen doch noch wiederkehrt.“

In der Bibel ist oft von der Natur die Rede, speziell von der ländlichen Welt, dem Ackerbau. Der Weisheitslehrer Jesus von Nazareth spricht (im Matthäus-Evangelium) in seinen schönen „Gleichnissen“ oft von der ländlichen Welt, dem Ackerbau, der Pracht der Blumen, aber auch vom Unkraut oder von dem verborgenen Schatz im Acker, den es zu suchen gilt.

Die Natur ist heute alles andere als eine Idylle, so sehr wir uns auch noch erfreuen an den Restbeständen geschützter Natur. Wir sind so weit gekommen in unserem technischen Zugriff auf die Natur, dass wir nur noch einige Teile der Natur als „geschützt“ deklarieren. Das heißt. Der überwiegende Teil der Natur ist ungeschützt, also dem Zugriff und der Ausbeutung weiterhin preisgegeben.

Halbwegs gesunde Ernährung verspricht die „Naturkost“ mit ihren Handelsketten. Diese wohl etwas gesunde Ernährung können sich nur die Wohlhabenden leisten. Die arm gemachte Mehrheit der Menschheit, wenn sie sich denn überhaupt regelmäßig ernähren kann, lebt von ungesunden, tendenziell Gift enthaltenden Lebensmitteln.

Für alle stellt sich die spirituelle, politische und letztlich auch theologische Frage: Wie stark hat der biblische Mythos von der Herrschaft der Menschen über die Natur so viel Unsinn bewirkt?? Im Buch Genesis des Alten Testaments werden Gott diese Worte in den Mund legt: „Gott sprach zu den Menschen: Seid fruchtbar und mehret euch und füllet die Erde und machtet sie euch untertan und herrschet über die Fische, das Vieh und über alles Getier und alle Pflanzen zu eurer Speise“ (Genesis bzw. 1. Buch Mose 1, 28ff). Diese Worte “Gottes“ haben sich leider durchgesetzt, auch bei Politikern und Ökonomen, die sonst nicht viel von „Gottes Wort“ halten….

Heute ist wohl die Zeit endlich gekommen, die „Herrschaft der Menschen“ über die Natur ganz neu zu denken und neu politisch zu gestalten zugunsten eines gleichberechtigten Miteinanders von Mensch und Natur. Der Mensch ist nur Teil der Natur, die Natur ist keine Sache, kein „Objekt“, wie Descartes dummerweise behauptete. Wer die Natur tötet, tötet sich selbst. Das sollten alle bedenken, die die neoliberale Wachstumsideologie aus egoistischen Motiven verteidigen.

Christian Modehn

Gott als Vater – Gott als Mutter…

Gott als Vater
Von Christian Modehn, Für die Zeitschrift ADREM, Utrecht, März 2023

Mit dem Bekenntnis „Gott ist Vater“ haben viele Menschen Schwierigkeiten, sie lehnen einen himmlischen Vater ab, weil schon ihr leiblicher Vater unfreundlich, gewalttätig oder sogar sexuell übergriffig war. Einen Ausweg kann die Erkenntnis bieten: Gott als Vater zu bezeichnen, hat nur Sinn: Wenn man „Vater“ nur als Bild, als Symbol, als Metapher versteht.
Ich habe den Eindruck, dass der Evangelist Matthäus selbst für ein vernünftiges Verstehen plädiert, wenn er Jesus innerhalb seiner Bergpredigt sagen lässt: „Geh in deine Kammer, wenn du betest“ (Mth.,6, 6). Das bedeutet für mich: Willst du das „Vater Unser“ verstehen, zieh dich zurück und denke gründlich nach. Dann zeigt sich die Erkenntnis: Wer nach Gott fragt, gelangt in die Tiefen der Erkenntnis, er wird mit dem letzten Grund unseres Seins konfrontiert, das der Mensch niemals umfassen, sondern nur berühren kann. Und da macht Jesus den provozierenden Vorschlag: Gott ist „unser Vater im Himmel“. Der letzte Grund allen Seins ist für Jesus ein „freundlicher Vater im Himmel“. Also eine transzendente Wirklichkeit, die zugleich personale, wohlwollende Eigenschaften hat. Und daran hat der Weisheitslehrer Jesus selbst in Stunden seiner größter Not, sogar noch im Sterben, festgehalten.
Was wäre denn für uns die Alternative dazu? Den letzten Grund allen Seins als Nichts zu denken, als Monstrum zu erleben, als verschlingendes Ungeheuer?
Wir können es nur wagen, den letzten Sinngrund des Lebens „Vater im Himmel“ zu nennen, weil wir Erfreuliches, Zuwendung, Liebe, Solidarität wenigstens manchmal als Momente des Glücks erleben. Oder als Licht der Hoffnung in dieser verrückten Welt. Wie anders könnten etwa die Menschen im Krieg in der Ukraine dem Morden des russischen Aggressors widerstehen? Ohne ein letztes Gefühl der Geborgenheit will kein Mensch leben, selbst wenn die Verbundenheit mit einem himmlischen „Vater“ oft nur im Schrei der Verlassenheit besteht.
Im Gebet „Vater Unser im Himmel“ nennen Christen Gott UNSEREN Vater. Gott ist unser aller Menschen Vater. Er, der Ewige, der „Schöpfer allen Seins“, ist als der Gründende (als Vater) auch der, der alle Menschen in ihrem „gemeinsamen Wesen“ vereint. Diesen Gott könnte man auch „Mutter“ nennen, theologisch ist dies gar kein Problem. Am besten wäre es, Gott als Vater UND Mutter zu verehren- und alle (!) Menschen als deren gleichberechtigte „Kinder“.
Das „Vater Unser“ zeigt sich hier als politisches Gebet: Jeder, der es spricht, anerkennt die gleiche Würde aller Menschen: Die anderen sind unsere Brüder und Schwestern, wo immer sie leben.

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God als Vader
Met de geloofsbekentenis ‘God is Vader’ hebben veel mensen moeite. Zij wijzen een hemelse Vader af, omdat hun fysieke vader onvriendelijk, gewelddadig of seksueel handtastelijk was. De volgende gedachte kan wellicht een uitweg bieden: het heeft alleen zin om God als Vader te betitelen als men het begrip ‘vader’ slechts als beeld, als symbool en als metafoor begrijpt.
Ik heb de indruk dat ook de evangelist Matteüs een pleidooi houdt voor een verstandig begrip als hij Jezus in zijn Bergrede zeggen laat: ‘Maar als jullie bidden, trek je dan terug in je huis, sluit de deur en bid tot je Vader, die in het verborgene is’ (Matt 6: 6). Dat betekent voor mij: als je het Onze Vader wilt begrijpen, trek je dan terug en denk goed na. Dan ontvouwt zich de betekenis: wie naar God vraagt komt in laatste instantie tot het inzicht dat hij met de diepste grond van ons bestaan wordt geconfronteerd. Die diepste grond kan de mens nooit bevatten, maar slechts aanraken.
En hier doet Jezus het provocerende voorstel: God is ‘onze Vader in de hemel’. De diepste grond van al wat bestaat is voor Jezus een ‘vriendelijke Vader in de hemel.’ Dat is een transcendente werkelijkheid, die tegelijkertijd persoonlijke, welwillende en positieve eigenschappen bezit. Daaraan heeft de wijsheidsleraar Jezus vastgehouden, zelfs in de uren van zijn grootste nood, tot aan zijn sterven toe.
Wat zou voor ons dan het alternatief daarvoor zijn? Moeten we ons de laatste grond van al wat bestaat als het grote niets voorstellen? Moeten we die grond als monster beleven of als verslindende boeman? We durven het aan om de datgene wat ons leven ten diepste zin geeft ‘Vader in de hemel’ te noemen, omdat wij in ieder geval op bepaalde momenten, blijdschap, aandacht, liefde en solidariteit als momenten van geluk ervaren. Of als het licht van de hoop in deze krankzinnige wereld. Hoe anders zouden de mensen in de oorlog in Oekraïne, de moordpartijen van de Russische agressor kunnen weerstaan? Zonder een fundamenteel gevoel van geborgenheid wil geen mens leven, zelfs als die verbondenheid met een hemelse ‘Vader’ vaak slechts in de schreeuw van de verlatenheid bestaat.
In het gebed ‘Onze Vader die in de hemel zijt’ noemen christenen God ONZE Vader. God is de vader van ons allemaal, van alle mensen. Hij, de Eeuwige, de ‘Schepper van al wat bestaat’, is als basis (als vader) ook degene die alle mensen in hun gemeenschappelijke wezen verenigt. Deze God zou je ook Moeder kunnen noemen, theologisch gezien is dat geen enkel probleem. Het beste zou zijn om God als Vader én Moeder te vereren, en alle (!) mensen als hun gelijkwaardige kinderen. Het Onze Vader blijkt dan een politiek gebed te zijn: eenieder die dat gebed uitspreekt, erkent daarmee dat de waarde van ieder mens gelijk is. De anderen zijn onze zusters en broeders, waar ze ook leven. Voor die gelijkheid moeten wij ons politiek inzetten.

Christian Modehn, Berlijn, 
Vertaling: Michel Peters

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Der Haupt-Redakteur der Monatszeitschrift der Remonstranten ADREM Tjaard Bernard, Rotterdam, schreibt einleitend zur März 2023 Ausgabe:

Remonstranten hebben een ambivalente verhouding
met dogmatiek en dogmatisme. Het is een tak van
theologische sport die zelfs onder de predikanten en
de theologen niet populair is en was. Veeleer lag van
oudsher de nadruk op de godsdienstfilosofie. Niet op het
intern christelijke gesprek over de geloofsleer, maar over
de vraag hoe daarover met ‘buiten’ te communiceren
zou zijn dus eerder algemene, filosofische vragen. Van
onszelf zeggen we graag dat we niet-dogmatisch willen
zijn. Als we daarmee bedoelen dat we geen dogma’s
zouden hebben, bedriegen we onszelf. Want vrijzinnigen
weten heel veel erg zeker. Bijvoorbeeld: de dingen waar
we niet in geloven! Daarin hebben we een onovertroffen
geloofszekerheid. Nee, we kunnen van onszelf hopen dat
we niet dogmatisch zijn, in die zin, dat we niet denken
dat het geloof in een leer vastgelegd kan worden, die voor
iedereen moet gelden. Dat beginsel is mooi vastgelegd in
de eerste woorden van onze geloofsbelijdenis uit 2006.
Wij beseffen en aanvaarden
dat wij onze rust niet vinden in de zekerheid van wat wij
belijden …
Vaak koesteren wij ons in die onzekerheid. Maar mis-
schien is dat ook wel een vorm van gemakzucht. Dan
hoeven we er niet meer over na te denken.
Uw redactie vond dat het weer eens tijd werd om ons
buiten onze ondogmatische comfortzone te begeven.
Daarom willen we volgende nummers besteden aan de
thema’s: Vader, Zoon (het paasnummer) en Geest (het
pinksternummer). Bepaalde invalshoeken en auteurs
zullen in elk nummer terugkomen. Hopelijk geeft een
en ander stof tot overdenking. n
Tjaard Barnard, hoofdredacteur
barnard@remonstrantenrotterdam.nl