Impulse für eine „remonstrantische Theologie“

Vernunft und Kritik ausdrücklich erwünscht
Impulse für eine „remonstrantische Theologie“

Die Theologie der protestantisch – freisinnigen Remonstranten Kirche ist von den Theologen des Ursprungs, also von Arminius und seinen Freunden, zu Beginn des 17. Jahrhunderts geprägt. „Diesen Remonstranten schwebte eine Kirche vor, die Spielraum für unterschiedliche Auffassungen bietet. Sie lehnten deswegen zwar nicht das Glaubensbekenntnis als solches ab, wohl aber seinen tyrannischen Gebrauch, der der Bibel und dem Gewissen nicht gerecht wird“, heißt es in einer Broschüre der Remonstranten von Mai 1985. Aber allein schon der grundlegende Begriff „remonstrance“, also „Einspruch“ gegen alle Formen von Dogmatismus und blindem Autoritätsglauben zugunsten der Freiheit des Menschen und der Wertschätzung seiner Vernunft, inspiriert immer wieder zu neuen und aktuellen Interpretationen. Insofern befindet sich die Theologie der Remonstranten in ständiger Weiterentwicklung; es gibt sicher so viele Remonstranten Theologien wie es Mitglieder dieser Kirche gibt. Jeder nimmt sich die Freiheit, seine ihm persönlich entsprechende Spiritualität und Theologie innerhalb dieser Kirche zu bilden. Und das ist ganz normal, keine Gnade, kein Sonderrecht!

Kernpunkte sind also:
-Individuell unterschiedliche Überzeugungen werden respektiert
-Vielfalt wird gewünscht
-Es kommt auf das „Wesentliche“ der christlichen Tradition an
-Die Bibel ist Ausdruck des Glaubens von Glaubenden damals
-Die Vernunft heute kann und soll entscheiden, welche biblischen oder dogmatischen Lehren heute noch gültig sind:
Ein Beispiel: Die Bibel ist angeblich gegen Homosexuelle eingestellt. Wenn das so ist, dann können heute Glaubende diese Lehren beiseite lassen und der Vernunft folgen, also z.B. homosexuelle Paare mit dem Segen der Kirche in ihrer Ehe anerkennen und diese fördern und sie den heterosexuellen Ehen gleichstellen. Die Remonstranten waren die ersten, die seit 1987 homosexuelle Paare segnen…
Ähnliches gilt für Frauen als Pastorinnen: Das Paulus Wort „Die Frau hat in der Kirche zu schweigen“, (1 Kor 14, 34f.) hat heute keine Gültigkeit mehr. Dieser Satz kann guten Gewissens ignoriert werden. Bei den Remonstranten gibt es Pfarrerinnen seit 1917.
Ähnliches gilt für Bibelsprüche, die fundamentalistische Kreise zur Rechtfertigung ihrer eigenen Macht verwenden. („Petrus als Fels“, der Papst als Petrus usw).
Es kommt also darauf an, der Vernunft vor bestimmten Bibelstellen den Vorzug zu geben. Die Bibel ist Wort glaubender Menschen einst, sie hatten auch ihre Grenzen, die man anerkennen muss, um in Freiheit neue Antworten zu finden.

Diese freisinnige christliche Überzeugung ist sicher nicht auf die Remonstranten Kirche und andere freisinnige Kirchen begenzt. Im Gegenteil, wer etwa heute in der römisch katholischen Kirche als „Progressiver“ die Allmacht des Papsttums begrenzen will, fordert das, weil er weiß: das Wort von „Petrus als dem Felsen“ bedarf radikal neuer Interpretation. Ähnliches gilt für Protestanten, etwa Lutheraner, die Mühe haben, die Erlösung aufgrund des blutigen Kreuzestodes Jesu zu sehen. Sie haben Mühe, die alte Lehre anzuerkennen, als würde Gott Vater von seinem Sohn das grausige Opfer, den Tod am Kreuz, wünschen. Für so viel göttlichen Sadismus haben sie keinen Sinn mehr. Das bedeutet: Freisinniges Denken ist in der weiten Ökumene heute längst verbreitet. Nur haben diejenigen Katholiken oder Lutheraner, die die oben beschriebenen Positionen vertreten, Mühe, in ihrer eigenen Kirche glücklich und respektiert zu leben.

Bittgebete – die Wirklichkeit annehmen

Bitten und beten und die Wirklichkeit sehen
Gedanken, vorgetragen anlä0lich des Treffens des Forums der Remonstranten in berlin am 20.6.2010
Wir entwickeln gelegentlich unsere persönliche Lebens – Poesie, stammelnde Worte im Alltag, Segenswünsche, Versuche, ohne Floskeln Dank zu sagen. Manchmal gelingen sprachlich schon „reifere“ Sätze, die in die Richtung Poesie gehen. Poesie, wenn auch dem ernsten Spiel der Sprache verpflichtet, ermuntert uns, in uns selbst zu schauen, auf den Grund unseres Daseins. Wem das gelingt, erlebt Poesie auch als Lebenshilfe.
In dem Zusammenhang scheint mir das BITT – Gebet wichtig zu sein.
Ich brauche nicht lange zu verdeutlichen, was Bittgebete in einem populären Verständnis sind: Es sind die Fürbitten im Gottesdienst, die persönlichen Bitten um Gesundheit und Zufriedenheit, Bitten um Frieden, Bitten um die Hilfe Gottes oder sogar der „Gottesmutter Maria“ etwa in katholischen Wallfahrtsorten….Sind solche Bitten Magie, nur naives Bewusstsein von“ schlichten“ Frommen?
Manche sagen, sicher zurecht: Diese Formen des Bittgebetes, die unmittelbare Erfüllung meines Bittens durch Gott erwarten, haben etwas sehr Egozentrisches. ICH will mit MEINEN Anliegen Mich durchsetzen bei Gott, den ich außerhalb von mir als den Allmächtigen und Barmherzigen verehre. ER soll mit seiner Allmacht mir meine Wünsche erfüllen.

Ich schlage eine vernünftige Form des Bittgebetes vor:

Zunächst will ich mich beim Bitten und Flehen immer fragen: Um die Abwendung welchen Übels will ich bitten?
Ich muss also unterscheiden: Was ist unabwendbar und was ist veränderbar? Es wäre also sinnlos zu bitten, dass Gott mich vor meinem Tod als solchem bewahren möchte.
Dann gibt es Situationen, die veränderbar sind. Aber was nützt es da zu bitten: Gott hilf, den Hungernden in meiner Nachbarschaft, dass sie etwas zum Essen finden.
Bittgebete sind eine Aufforderung zum Reflektieren:
Sie führen zurück zu uns selbst: Sie stellen uns in Frage, nehmen uns in Pflicht: Können wir denn nicht dem Armen in unserer Nachbarschaft Speisen reichen?
Bittegebete sollen also formuliert werden. Aber sie sollen uns wieder zurück auf uns selbst führen.
Nicht immer werden wir unmittelbar etwas tun können, es gibt ja, um im Bild zu bleiben, Millionen von Armen und Hungernden. Ich bin froh, wenn ich als einzelner einem Armen wirksam helfen kann.

Aber entscheidend ist: Mit der Bitte werde ich zum Nachdenken angeregt: In welcher Welt leben wir eigentlich? Was ließe sich politisch verändern? Wo ist sozusagen der „Wurm drin“. Also: wo zeigt sich menschlich Böses, gegen das wir kaum ankommen und doch dagegen kämpfen müssen.

In dem Moment des Erstaunens über die eigenen Grenzen stelle ich mich und die ganze Welt Gott anheim. Das heißt, ich stelle mich auch dem Geheimnis des Lebens, dem Geheimnis der Welt. Wer bin ich eigentlich? Wo will ich hin? Sind mir die anderen so fremd? Oder kann ich Empathie entwickeln? Bittgebete verweisen mich also auf mein Menschsein, aber immer auch auf das Menschsein aller anderen. Ich weite sozusagen mein Denken, zugunsten einer großen Empathie, einer Einfühlungskraft in andere: Ich sehe ihr Elend. Und im Einfühlen schmerzt es mich auch ihr Leid; ich wünsche ihnen Kraft und Heilung: Das kann ich formulieren als Ausdruck meiner empathischen Haltung. Das ist Bittgebet, ich höre mich selbst beim Bitten/Beten, werde durch meine laut oder leise gesprochenen Worte an meine Verpflichtung zur Empathie erinnert. Bittgebete führen also zum solidarischen, zum freundschaftlichen Tun.

Da erwarte ich nichts mehr von dem außen agierenden allmächtigen Gott, den ich in Wallfahrten bestürme..um doch bloß MIR gnädig zu sein.
Da stelle ich mich vielmehr dem Geheimnis der Welt, und darin ist Gott sozusagen als innere Kraft, als inneres Licht IN MIR.
Hubertus Halbfas, ein katholischer Theologe, hat das einmal so formuliert: „Das Ich lässt transformieren in das göttliche Du“. In diesem Einswerden mit Gott geschieht die „Erhörung“ meines Bittgebetes.
Bittgebete sind also ein Weg der persönlichen Weitung, der Läuterung, des Innewerdens des Gottes IN uns….diese Erkenntnis hilft, so kann immer mehr die göttliche Wirklichkeit, das göttliche Licht, in uns sein.
Bittgebet hat also nicht mit „Plappern“ zu tun, wie Jesus von Nazareth kritisierte, Bittgebet ist ein höchst anspruchsvolles poetisches Suchen und Versuchen. H.W.

Jesus war ein Religionskritiker.

Jesus war ein Religionskritiker. Im Alltag das Heilige entdecken.

Tom Mikkers, der „Allgemeine Sekretär der Remonstranten Kirche“, hielt am Sonntag, 16. Mai 2010, in der Kirche „de Vrijburg“ in Amsterdam, eine bemerkenswerte Predigt. Anlass war ein besonderer Gottesdienst, in dem die Lieder des Song Contests, der Eurovision, im Mittelpunkt standen. Mehr als 400 Teilnehmer waren bei diesem ungewöhnlichen spirituellen Ereignis dabei, als Angebot und Einladung wurde deutlich: Auch in der Populärkultur, auch in den Songs und Liedern des „Eurovision Song Contest“, kommen spirituelle und religiöse Aspekte vor. Sie sollten auch von Kirchen beachtet werden, sie können nämlich hilfreich sein, wenn es auch klar ist, dass viele Lieder banal und kitschig sind.

Tom Mikkers sagte unter anderem:
„Ganz eingefleischte Theologen („hardcore theologen“ im niederländischen Text) könnten sagen: Diese Lieder sind schön, aber das hat mit Kirche oder Christentum nichts zu tun. Andere sagen: Es kann ja sein, dass einige Songfestival – Lieder ein bisschen Friede und ein bisschen Liebe brachten. Aber für die Antworten zu den großen Lebensfragen muss man doch bei dem alten kirchlichen Repertoire sein Heil suchen. All das andere sei nur eine Art Verdünnung der alten Lehre.
Wer das sagt, hat eine Voraussetzung: Es gibt eine große Wahrheit, die ist buchstäblich zu finden in der Bibel, und diese Wahrheit wird genau formuliert von Priestern und Kardinälen. Und wehe dir, wenn du beginnst, dein eigenes Lied zu singen!
In meinen Augen pervertiert der christliche Glaube, wenn er zu einem fest umschriebenen kirchlichen Exklusiv – Programm wird.
Warum? Weil Glauben nichts zu tun hat mit einer Stellungnahme (mit dem „nur so ist es“), sondern mit einem innerlichen Abgestimmtsein auf das eigene Selbst, auf den Mitmenschen und das große Ganze, das wir vielleicht auch, (wenn genaue Begriffe fehlen), Gott nennen.
Jesus war ein Religionskritiker der reinsten Art! Nun ist es ein Gewinn von wahrer Religionskritik, dass sie religiös inspirierte Menschen herausfordert, die Bitterkeit und die Unbarmherzigkeit der harten Wahrheit („nur so und nicht anders“) wirklich anzusehen, aber sie dann auch zu verlassen und aufzugeben! Übrigens ist für mich die Angst vor der Religionskritik vollkommen unbegründet. Denn Religion versteinert nur ohne Kritik.
Jesus hielt nichts von bürokratischen Dogmatikern, die meinten bestimmen zu können, wer etwas taugt und wer nicht. Jesus rief das Establishment zur Ordnung!

Die Kirche als Gemeinschaft von Menschen, die auf dieser Spur Jesu von Nazareth weiter gehen will, kann nicht machtvolle Verurteilungen vornehmen und an einer festen Ordnung hängen. Nicht das haarscharfe Urteil , sondern das Mitleiden mit jedem, der leidet und stirbt, ist das geistliche Brot, das in der Kirche an alle Menschen ausgeteilt wird…Jesus machte das Heilige wieder zum Alltäglichen, und das Alltägliche wurde für ihn heilig. Jesus bezweifelte in aller Offenheit die religiös korrekten Antworten und Annahmen“.

Peter Nissen, katholischer Theologieprofessor, wird „Freund der Remonstranten“

Peter Nissen, Katholik und Professor für Kirchengeschichte, wird Freund der Remonstranten

Er ist in Holland und darüber hinaus ein bekannter Kirchenhistoriker und Theologe: Peter Nissen (geboren 1957) arbeitet als “Professor für die Kulturgeschichte der Religiosität“ an der Radboud Universität von Nijmegen, Niederlande. Er hat sich im Mai 2010 offiziell als „Freund der protestantischen Remonstranten Kirche“ eintragen lassen. Diese freisinnige Kirche kennt neben Mitgliedern den Status der „Freunde der Remonstranten“, sie haben wie die Mitglieder die gleichen Rechte und Pflichten, können nur nicht verantwortliche Funktionen in der Gemeindeleitung übernehmen. Die Tageszeitung TROUW aus Amsterdam berichtet am 17.5. von dem Konfessionswechsel. Manche deuten diesen Konfessionswechsel als ein Symbol, dass katholische Intellektuelle und Theologen in Westeuropa das Klima von Angst , Kontrolle und Autoritarismus im römischen Katholizismus nicht mehr ertragen können. Peter Nissen, der sich viele Jahre auch um Kirchenreformen in der römischen Kirche bemüht hatte, glaubt nicht mehr an einen wirklichen Wandel zum Besseren in dieser Kirche. Er will als nun einmal katholisch geprägter Mensch mit der Basis, also „seiner“ katholischen Kirchengemeinde in Nijmegen, verbunden bleiben. Aber er will doch zu den Remonstranten gehören. Er hofft auf diese Weise eine Brücke zu bauen zwischen den Konfessionen. In einem Brief schreibt er: „Das Kircheninstitut ist nicht heilig. Es ist ein Haus, worin man sich zuhause fühlen kann. Darum kann ein Moment kommen, wo jemand sagt: Es ist genug, ich reise ab, ich orientiere mich neu. Dieser Augenblick ist für mich gekommen. Ich trete als „Freund“ nun einer Kirche bei, die auch in einer langen christlichen Tradition steht, aber die freie Bahn gibt für die Erneuerung…Ich trete einer Kirche bei, die voll und ganz dem Wirken des Geistes Raum gibt…Diese Kirche weiß, dass Tradition niemals fruchtbar sein kann in Starrheit und Unveränderlichkeit. Es ist für mich keine weite Reise. Ich setze mein Suchen nach dem Geheimnis mit anderen zusammen fort … in der Kirche der Remonstranten. In dieser Kirche steht die Poesie über dem Gesetz, die Bereitschaft zur Veränderung über der Rechtgläubigkeit. Mit diesen Ideen versuchen Remonstranten Kirche zu sein“. Siehe auch www.peternissen.nl

Songs aus dem Eurovision Songcontest im Gottesdienst

Für ein friedliches Europa
Remonstranten in Amsterdam: Zum ersten Mal ein Gottesdienst mit Liedern des „Eurovision Songcontest“

Zwei Wochen vor dem großen Finale des 55. Eurovision – Songfestivals in Oslo am 29. Mai hat die niederländische Remonstranten Kirche, eine freisinnige protestantische Kirche, in Amsterdam („de Vrijburg“) einen ungewöhnlichen Gottesdienst gefeiert. Nicht die eher klassischen oder neuen Kirchenlieder wurden gesungen. Im Mittelpunkt des Gottesdienstes standen ausschließlich verschiedene Lieder aus der langen Geschichte des Eurovision – Songcontests. Etwa 400 Menschen versammelten sich nachmittags um 3 Uhr zu einem zweistündigen Gottesdienst, der den Strukturen der protestantischen Liturgie entsprach. Das Feier stand unter dem Motto: Halleluja Europe….Dieser experimentelle Gottesdienst wurde zum ersten mal in Europa gefeiert! Aber anstelle des Kyrie – Liedes erklang „The fire in your eyes“ (Israel 2008), zum Gloria “I evighet“ von Elisabeth Andreassen, (Norwegen 1996)), zum Credo „Hold on be strong“, von Maria Haukaas Storeng (Norwegen 2008). Die Auswahl der 10 „Kirchen“ – Lieder stammte von den interessierten TeilnehmerInnen selbst. “Wir wollen die Tiefe der so genannten Populärkultur entdecken, wollen zeigen, dass in etlichen der beliebten Lieder durchaus spirituelle Aspekte enthalten sind, die wir als Kirche nicht vernachlässigen dürfen“, sagt Tom Mikkers, Allgemeiner Sekretär der Remonstranten Kirche. Er hat zusammen mit dem Journalisten Hilco Span (vom Radio NCRV) den Gottesdienst gestaltet..„Und unsere Remonstranten Kirche in ihrem freien, undogmatischen Geist ist bestens geeignet, Menschen, ob sie glauben oder nicht, auf die Suche nach Spiritualität einzuladen, warum nicht auch durch die Lieder des Songcontests“, sagt Dik Mook, Jugendpastor in der Gemeinde „Vrijburg“. „Ich gehe sonst nicht in die Kirche, aber hier habe ich mich wie zu Hause gefühlt, ich habe vieler meiner so oft gehörten Lieder neu entdeckt“, sagt Pieter de V. aus Utrecht, ein junger Besucher des Gottesdienstes. „Natürlich wollen wir mit diesem ungewöhnlichen Gottesdienst daran erinnern, dass Europa auf der Grundlage von Frieden, Gerechtigkeit, Toleranz beruht“, sagt Tom Mikkers, „etliche Lieder verkünden ja diese Botschaft, man muss nur genau hinhören. Der Songcontest hat ja vor aller Commerzialisierung als Plattform des Friedens einmal begonnen“. „Insgesamt haben wir uns als einladende Kirche gezeigt“, sagt Margriet Dijkmans van Gunst aus der Remonstranten Gemeinde, „offenbar mit Erfolg“.
Die Lieder wurden während des Gottesdienstes auf einem riesigen Bildschirm eingespielt. Im Interview erläuterten die beiden Contest Teilnehmerinnen Liliane Saint-Pierre (Belgien) und Lenny Kuhr (Niederlande), was für sie ihre Lieder bedeuten. „Vielleicht ist unser Singen auch eine andere Form des Betens“, sagten sie…

Siehe auch auf Niederländisch und Englisch: ttp://www.remonstranten.org/site/index.php?page=hallelujah_europe
Der Gottesdienst wird noch einmal auf Radio 5 NCRV am 23. Mai um 15 Uhr gesendet.

Wer glauben will, braucht den Unglauben

Wer glauben will, braucht auch den Unglauben
Einige Vorschläge zum Treffen des „Forums der Remonstranten in Berlin“
am 9.5.2010

Im Markus Evangelium im 9. Kapitel gibt es eine interessante Geschichte, die zum erneuten Nachdenken anregt über die Beziehung von Glauben und Unglauben.
Jesus begegnet einem an Epilepsie leidenden Jungen und dessen Vater, der das Leiden seines Sohnes kaum noch ertragen kann.
Der Vater hält Jesus – dem damaligen Denken folgend – für einen magischen Wundertäter. In letzter Verzweiflung bittet er Jesus darum, den Sohn von der Krankheit –leiblich – zu befreien.
„Herr ich glaube, hilf meinem Unglauben“, sagt der Vater. Er will damit sagen: Nimm meinen Unglauben weg, damit ich ganz und ausschließlich nur noch an die wunderbare Heilkraft Jesu glauben kann.
Jesus heilt im Bericht des Markus Evangeliums den Jungen. Der Bericht ist dem damaligen Weltbild entsprechend „bunt“ ausgestattet. Dieses antike Weltbild entspricht uns nicht mehr. Wir haben die Freiheit, den Text mit unseren heutigen Verstehens- Kategorien zu interpretieren.
Die Jünger fragen Jesus, woher er die Kraft des Heilens habe. Und da kommt die interessante Antwort Jesu: „Diese Art des Heilens ist nur möglich durch Beten“.

Wird dadurch die Sache einfacher? Heilt Beten? Da muss man sich erinnern, was Beten für Jesus bedeutet: Es ist das gesammelte Sich zurückziehen; in der Wüste hat Jesus gebetet, er empfiehlt im stillen Raum zum Beten, er empfiehlt nicht zu plappern, sondern in sich zu gehen, zu schweigen.

Diese Elemente des Betens im Sinne Jesu bedeuten: Nichts anderes als Meditieren, als stilles Verweilen, als zur Ruhe kommen, sich selbst finden, die eigene Tiefe suchen und da dabei dem Lebensgeheimnis nachspüren. Die Wirklichkeit annehmen.

D.h. Durch besinnliches Nachdenken und Meditieren geschieht eine neue Lebenseinstellung: Der Junge steht auf, er wird wieder eine selbständige Person, er ist nicht nur ein Kranker, der einem auf den Geist geht. Also werden Krankheiten nicht magisch geheilt, der Mensch kann sie annehmen als Teil des Lebensgeheimnisses. Das heißt: Die Krankheit bleibt, aber sie verliert ihren Schrecken, weil sie eingeordnet wird in ein Verstehen der weltlichen Wirklichkeit. Das Verstehen führt zur Annahme.

Und noch ein Wort zu dem schönen Satz, der fast ein theologisches Sprichwort ist: „Herr ich glaube, hilf meinem Unglauben“.
Den Satz möchte ich so interpretieren: Hilf meinem Unglauben, bedeutet nicht, dass mein Unglaube sozusagen verschwindet, in dem Sinne, hilf, dass der Unglaube überwunden wird. Das Ziel, „NUR“ zu glauben, sozusagen nur und ausschließlich als gläubig zu leben, sozusagen 100 % rein zu glauben, halte ich nicht nur für eine irregeleitete Idee. Sie ist auch für den richtig verstandenen Glaubens selbst schädlich: Denn Glauben bezieht sich immer auf das Lebensgeheimnis, das nie zu greifen ist. Da habe ich nie etwas sicher in der Hand. Da kann der Glaube stets nur eine Suchbewegung sein, stets etwas Provisorisches, etwas, das sich im Auf und Ab meines Lebens wieder ändert. Und da hilft der Unglaube, hier verstanden als Zweifel, als Fragen, als Skepsis, stets weiter. Dass wir uns nicht an einem fix und fertigen Glaubensbegriff festhalten, sondern weiter gehen suchen und fragen: welches Lebensgeheimnis trägt mich wirklich.
Darum kann heute der Satz heißen: „Herr ich glaube, aber lass mir meine Skepsis, lass mir den Unglauben, zur Vertiefung, zur Korrektur meiner Lebenseinstellung. Nimm mir nicht den Unglauben, diese Skepsis, dieses Fragen, das mich lebendig hält. Damit ich unruhig bleibe und suchend“.

Glaube ohne Unglaube ist nicht menschlich. Wir brauchen uns nicht von Skepsis irritieren zu lassen, wir können stolz sein, wenn wir auch Unglauben haben und in dieser dialektischen Spannung von Glauben und Unglauben menschlich leben. H.W.

Freigeister gehen voraus… Ein Hinweis von Georg Christoph Lichtenberg

Georg Christoph Lichtenberg (1742 -1799) war ein Schriftsteller, der sich aufklärerischen Traditionen verpflichtet wusste. In zahlreichen Aphorismen ist er für die Freiheit des Wortes eingetreten. Ein Freund der Remonstranten, die sich ja bekanntlich als freisinnige christliche Kirche verstehen, hat uns diesen Aphrorismus zugesandt. Er bezieht sich auf die vernünftigen Freigeister im allgemeinen, aber warum kann man ihn nicht auch auf freisinnige Christen heute beziehen?
„Die vernünftigen Freigeister sind leichte fliegende Korps, immer voraus. Sie erkunden die Gegenden, wohin das schwerfällige geschlossene Korps der Orthodoxen am Ende doch auch kommt“.

Spiritualität im Handy. Eine Initiative der Remonstranten

Spritituelle Impulse im Handy
Die freisinnige, liberale protestantische Kirche der Remonstranten in Holland hat Anfang April 2010 eine Aktion gestartet, um den gestressten und allen anderen Menschen eine meditative Pause zu empfehlen: „Gott einschalten!“ heißt das natürlich auch ein wenig ironisch gemeinte Angebot der Remonstranten, Jeder kann sich anmelden, dann erhält man an jedem Morgen im Handy einen kurzen meditativen Text. Wer abends weiter spirituellen Impulsen folgen will, kann in dem Buch „God Aan“ blättern und dabei entweder in eine spirituelle Vitalität (und Schlaflosigkeit) finden … oder sanft einschlummern. Hundert Remonstranten haben ihre persönlich wichtigen Texte in dem Buch „God Aan“ versammelt, dabei ist natürlich nicht nur ein biblischer Bezug wichtig, sondern, wie es sich für freisinnige Christen gehört, es kommen auch viele Texte aus den breiten Umfeld der Kultur, Kunst und Gesellschaft. Das Buch God Aan hat 400 Seiten, es ist bei Meinema erschienen und kostet 25 Euro. Dieses Projekt ist ein weiterer Versuch der Remonstranten, Anregungen zur Lebensvertiefung zu geben. Als ich einem Berliner Atheisten von diesem Vorhaben berichtete er: „Ist der Sinn einer freien Religion Lebensvertiefung“? Ich habe diese Frage bejaht.

Siehe auch die website www.god-aan.nl
Oder:
www.twtter.com/godaan

Der Monat April: Zeit um zu bauen.

Die Spiritualität eines Monats:
In dem neuen Buch „Vieren en Brevieren“ (Feiern und Beten, Verlag Meinema, Zoetremeer, 2009) ) haben die beiden Autoren Christiane Berckvens – Stevelinck (Remonstranten Pfarrerin) und Sytze de Vries (Reformierter Pfarrer) ein eigenes Kapitel über die Spiritualität eines jeden Monats verfasst. . .Das ist eine originelle Idee. Dadurch können Zeiträume, auch meditativ erschlossen werden.

Der April hat das Motto: „Eine Zeit, um aufzubauen“.

In einer allgemeinen Einleitung schreiben die Autoren:
„Jeder Monat hat ein bestimmtes Thema. Dabei beziehen wir uns auf das biblische Buch „Prediger“. Das Thema und das Motto eines Monats wird hier verbunden mit der Natur und dem liturgischen Jahr. Wir ließen uns besonders inspirieren von dem Buch „Prediger“, da ist zu lesen: „Für alles gibt es (bestimmte) eine Zeit“ (3,1).
Das Leben, sagt der Prediger, auch Kohelet genannt, besteht aus Gegensätzen. Der Mensch kennt gute und schlechte Augenblicke.
In der Kirche wurde oft der Nachdruck gelegt auf das, was ein Mensch an schlechten Zeiten durchlebt. „Gute Nachrichten sind keine Nachrichten“, sagen Journalisten und für die Kirchen gilt dieser Satz auch. Viele Kirchenlieder befassen sich mit Schuld und Elend. Der Akzent auf Freude und Zufriedenheit ist viel seltener. Darum setzen wir allen Nachdruck auf positive Aspekte. Das tun wir, nicht weil wir naiv sind oder ein rosarotes Bild der Wirklichkeit haben, sondern weil christliche Spiritualität die Kraft ist, positiv zu wirken. Anders gesagt: Es macht etwas aus, ob wir unser Leben gestalten von einem „menschlichen Zuwenig“ oder einem „göttlichen Zuviel“.

Der April: „Der Monat, um aufzubauen…“

Einige mediative Hinweise der Autoren zu dem Motto:

-Unser Leben muss wachsen. Das geht nicht von allein: Wachstum braucht Begleitung, Aufbau. Dabei werden stets Entscheidungen getroffen. Wenn wir selbst die „Baumeister“ unseres eigenen Lebens sind, verlangt das einen Bauplan und wieder neue Entscheidungen…
-Um etwas Neues aufzubauen, ist es bisweilen nötig, erst das Alte abzubrechen. Ein sehr schwieriger Prozess, der Mut und Vertrauen verlangt…
-Postmoderne Architekten entwerfen offene Gebäude.. mit vielen offenen Perspektiven. Solche Gebäude sind Räume der Freiheit.
-In der Bibel ist Bauen oft verbunden mit Wohnen, mit Zusammenleben…Wenn das ZELT ersetzt wird durch ein Haus aus Stein, droht die Versteinerung… (s. 223 f).

Moderne Kunst ist wie eine „Kapelle“ für die Menschen. Peter Kattenberg, Künstler und Remonstrant

„Kunst als Kapelle von heute“

In der Ausgabe März/April 2010 der Zeitschrift ADREM, der Monatszeitschrift der Remonstranten, wird über Peter Kattenberg (Jahrgang 1954) berichtet. Er war von 1990 bis 2004 Remonstranten Pfarrer in Amsterdam und Leiden. Seit 2004 kann er sich ganz seiner KUNST widmen, denn schon seit mehr als 20 Jahren interessiert ihn vor allem die Malerei über alles. Peter Kattenberg hatte eine Galerie in New York, er war auch Kunsthändler, jetzt gibt er auch Vorträge in Schulen und Kunstakademien.

Einige Zitate aus dem Beitrag, den Michel Peters, Utrecht, verfasst hat. Peter Kattenberg sagt:
„In allen Remonstranten Kirche wurde vor einigen Jahren Gemälde und Bilder ausgestellt. Das war damals neu, denn die Welt der Kirchen und die Welt der Kunst waren noch strikt getrennt. Jetzt ist es „in“, Kunst in gewisser Weise zu verbinden mit dem Glauben. Früher waren die Remonstranten eine Art religiöser Zufluchtsort. Das ist heute nicht mehr so nötig. Menschen, die den Sinn suchen, haben auch eine andere Kapelle betreten, zum Beispiel die „Kapelle der Kunst“. W.J. Otten, der Dichter, meint, dass Kunst und Glaube sozusagen am selben Baum gewachsen sind. Ästhetische und religiöse Erfahrungen erwachsen aus einer Erfahrung von Emotion, das ist auch ein physisches Erlebnis von Schönheit, vom Guten, vom Lebenssinn. Es ist ein Gefühl für etwas, was ist. Aber es ist schwierig, es genau zu fassen. Dieses „etwas“ wird in der Kunst auf eine direkte oder indirekte Weise sichtbar. Ich lasse eine Arbeit oft eine Zeitlang liegen. Später schaue ich es mir noch mal an und wie in einem „Blitz“ weiß ich, das es so stimmt. Dann habe ich eine Erfahrung, die ähnlich ist der Erfahrung, als Gott die Welt schuf. Aber bisweilen weiß ich dann auch, dass eine Arbeit nichts ist. Das ist furchtbar, weil ich doch Zeit, Energie usw. aufgewendet habe“…
„Ich sehe die Kunst als ein wesentliches Element in der Ausbildung der Menschlichkeit, sie muss aus drücken, was man das „Wesen der Menschen“ nennt…