Meine Biographie und meine Bibellektüre

Ein neues Buch von 11 Pastorinnen und Pastoren de Remonstranten – Kirche

Von Christian Modehn

Wenn die Lektüre der Bibel nicht nur der Information dient und etwa nur eine allgemeine Antwort auf die sachliche Frage fordert: „Was sagte denn Jesus tatsächlich in seiner Bergpredigt?“, wenn also die Bibel wie ein Dialogpartner zum heutigen Leser inspirierend sprechen soll und der Leser dann den Text dreht und wendet und erwartungsvoll befragt: Dann ist der Moment gekommen, dass man von einer „autobiographischen Bibellektüre“ sprechen sollte. Ein Mensch von heute mit seinen persönlichen Fragen liest – vielleicht zufällig – einen kurzen Bibeltext, begegnet dort – überraschend – einer leibhaftigen Person und erkennt in der Erzählung von einst sich selbst wieder. Und gerät ins tiefere Suchen nach sich selbst. Oder er/sie wird durch die Erzählung in seinem/ihren eigenen Lebensentwurf bestätigt, meist aber erschüttert. Bei all dem gilt es natürlich den kritischen Verstand zu bewahren!

Es ist schon ein Stückweit Offenbarung, Freilegung“, der persönlichen „privaten“ Lebensgeschichte, wenn 11 Pastorinnen und Pastoren der protestantischen Remonstrantenkirche ihr Leben, ihre Geschichte, mit der speziellen Lebensproblematik mit einem Bibeltext konfrontieren und aus der Begegnung nicht nur Erkenntnisse, sondern heilsame Weisheit entnehmen. Und diese auch mitteilen.

So geschieht es in dem neu erschienen Buch „Mijn held en ik“. „Autobiografisch Bijbellezen“: Da wird die sehr persönliche Aussprache der Pastorinnen und Pastoren über „ihre“ biblischen Gestalten Simson oder Leah, Ezechiel oder Johannes dem Täufer usw. vorgestellt. Diese biblischen Gestalten werden zu inspirierenden „Helden“ für heute. Manchmal werden förmlich zur Verstärkung auch andere poetische Texte hinzugezogen, wie etwa die Gedichte von Tomas Tranströmer.

Dass diese Form der Begegnung von Bibel und Leser auch für Gruppengespräche geeignet ist, wird dann im Schlusskapitel des Buches gezeigt.

Für Menschen, die Niederländisch lesen können, ist dieses Buch sicher eine gute Anregung: Sich selbst besser zu verstehen in der Auseinandersetzung mit den Begegnungen anderer, eben biblischer Gestalten. Denn auch sie erlebten oft wahre Dramen, sie waren zerrissen zwischen dem eigenen Wollen und einer göttlichen Weisung. Und fanden eigene Antworten, auch spirituelle Antworten.

Die Voraussetzung für diese Bibellektüre mit der Auswahl eines „Helden“, der mich dann weiter bringt, ist die Erkenntnis: Die Geschichten von Gestalten der Bibel gehören nicht einer untergegangenen Vergangenheit an! Vieles ist vielmehr förmlich „gleichzeitig“ mit uns. Diese Gestalten, „meine Helden“ – für eine gewisse Zeit – gehören als Menschen zu uns heute!

Als deutscher Leser wundert man sich vielleicht, dass der Begriff „Held“ im Niederländischen noch so verwendet werden kann. Früher hätte man in Deutschland vielleicht eher von Vorbildern (auch problematisch) gesprochen… Was „Helden“ angeht, sind wir in Deutschland eher sprachlos, „begriffslos“ geworden…Sicher ist dies eine Folge der Nazi – Zeit, die ja bekanntlich auch die Sprache vergiftete.

Das Buch lädt ein zum weiteren Nachdenken: Kann ich mir einen Apostel als meinen Held wählen, vielleicht sogar Paulus? Oder kann sogar Jesus von Nazareth in einer bestimmten Hinsicht, in seiner bestimmten Lebenspraxis, mein Held sein? Ist Glauben vielleicht die Verbindung, wenn nicht Bindung an einen „Helden“? Klingt komisch vielleicht: Aber warum kann Jesus von Nazareth nicht auch und vor allem mein Held, unser Held, werden? Der Jesus, der den Frieden lebte; der die Frauen liebte; den Jesus, der so viele Gleichnisse lehrte…

„Mijn Held en Ik. Autobiografisch bijbellezen“. Herausgegeben von Bert Dicou und Koen Holtzapffel. Verlag Skandalon, mit Illustrationen von Bert Kuipers. 176 Seiten, 16,95 EURO. Mit Beiträgen von: Jan van Belle, Fride Bonda, Sigrid Coenradie, Bert Dicou, Koen Holtzapffel, Lense Lijzen, Evelijne Swinkels-Braaksma, Joep de Valk, Corrie Vis, Alleke Wieringa en Sandra van Zeeland-van Cassel.

Christian Modehn

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