Über einen Beitrag von Peter Nissen, Professor für Ökumene an der Radboud-Universität von Nijmegen und Remonstranten Pastor in Oosterbeek NL.
Von Christian Modehn
Peter Nissen, Ökumene Professor und als Historiker auch Spezialist für die Geschichte der Remonstranten, hat in diesem Jahr (2019) in der Zeitschrift ADREM 11 ausführliche Beiträge geschrieben über die Synode von Dordrecht und die Folgen. Vor 400 Jahren kam es dort bekanntlich zur Verwerfung (und kurzzeitig auch zur Verfolgung) der freiheitlich – humanistisch orientierten Gruppe der Remonstranten-Theologen durch die offizielle mehrheitliche calvinistische Kirche in den Niederlanden.
So entstanden damals zwei Kirchen: Die streng orthodoxe calvinistische Kirche der großen Mehrheit und die zahlenmäßig kleinere, aber explizit freiheitliche, wir würden heute sagen liberal-theologische, Remonstranten Kirche. Sie trägt bis heute den Titel „Bruderschaft“. Damit ist selbstverständlich keine antifeministische Aussage gemacht!
Was ist wichtig in dem Beitrag von Peter Nissen, der meines Erachtens sehr erhellend ist und weitere Debatten anregen könnte:
- Auch Kirchengeschichte wurde und wird wohl noch immer aus der Perspektive der Sieger geschrieben.
- Die Verlierer in den Auseinandersetzungen um den „wahren Glauben“ werden kaum wahrgenommen. Ihre Wahrheit wird ausgeblendet.
- Die Remonstranten sind in der Sicht von Peter Nissen historisch gesehen die Verlierer. Durchgesetzt haben sich die „orthodoxen“, streng calvinistischen Kirchen.
- Noch immer besteht gelegentlich die falsche Meinung, so Peter Nissen, die Remonstranten seien eine Variante der Reformierten (Calvinisten). Der Titel als Selbstbezeichnung „remonstrantisch-reformierte“ kommt ja noch vor. Die Remonstranten sind etwas Eigenes, mit eigener Theologie.
- Es gilt, so Prof. Nissen, sich von der Perspektive zu befreien, die Gewinner (die Reformierten) hätten recht, die Remonstranten unrecht. Diese verbreitete Denk-Richtung nennt er „Tunnelblick“.
Was bleibt also, meiner Meinung nach?
Die Remonstranten als eigenständige Kirche (als liberal-theologische, nicht-fundamentalistische Kirche) sind heute dringender und wichtiger denn je. Denn angesichts globaler Ängste geht das religiöse Interesse sehr vieler Menschen in die Richtung evangelikal, pfingstlerisch, fundamentalistisch charismatisch etc.
Dass es eine andere Gestalt des christlichen Glaubens gibt, eben eine freisinnige christliche Kirche, die offen, dialogbereit, tolerant, nicht-dogmatisch ist und bleiben will, dies muss wohl noch viel deutlicher gesagt werden. Auch in Deutschland.
Und deutlich werden sollte dann: Auch diese liberal-theologischen Kreise und Gemeinden haben ihren eigenen Charme, ihre eigene menschliche Wärme! Die braucht man nicht bei den enthusiastischen Fundamentalisten zu suchen.
Wichtig wäre nur, in meiner Sicht, wenn sich die Gottesdienste (am Sonntag) deutlich von den üblichen reformierten Gottesdiensten unterscheiden würden, wenn sie auch liturgisch mehr eigenes und neues Profil erhielten.
Und die tatsächlich ja aus Flüchtlingen gegründete Remonstranten – Kirche könnte meines Erachtens deutlicher noch ihr politisches Profil zeigen im praktischen Einsatz für die Menschenrechte.
Copyright: Christian Modehn