Huub Oosterhuis inspiriert: Das jährliche Treffen der Remonstranten. Diesmal in Amsterdam
Von Christian Modehn
Die Remonstranten halten einmal im Jahr einen so genannten „Beraadsdag“, frei übersetzt: einen „Tag der Gespräche und Diskussionen“. Von den 5.000 Mitgliedern dieser freisinnigen Kirche waren am 10. März 2012 200 dabei: Sie trafen sich im neuen Zentrum der Studentenekklesia in Amsterdam, der ökumenischen Gemeinde, die von dem Theologen und Dichter Huub Oosterhuis 1970 ins Leben gerufen wurde. Nach mehreren Umzügen hat diese Gemeinde seit einem Jahr ein neues Zuhause gefunden in einem prächtigen Gebäude an der Da Costakade.
Die Remonstranten hatten Huub Oosterhuis gebeten, den ersten Vortrag beim „beraadsdag“ zu halten. Er sprach – dem Motto des Treffens entsprechend –über das Reich Gottes, jenes universale Symbol einer friedlichen und gerechten Welt; es ist DIE zentrale Zusage der biblischen Botschaft für die Menschen. Huub Oosterhuis legte allen Nachdruck darauf, dass das Reich Gottes mehr ist als ein schöner Traum. Reich Gottes sollte nicht in eine spirituelle Innenwelt eingeschlossen sein. Es wird vielmehr von den Menschen hier und jetzt „gebaut“, wann immer sie sich für Gerechtigkeit und gegen die Ausgrenzung der Armen einsetzen. Im Tun des Guten werde das Reich Gottes geschaffen.
Huub Oosterhuis unterstrich den aktiven Einsatz der Menschen für das Reich Gottes. Damit entsprach er durchaus den theologischen Vorstellungen der Remonstranten, die sich seit Beginn ihrer Geschichte im 17. Jahrhundert gerade von einer abstrakten Gnadenlehre absetzen, die behauptet, der Mensch selbst könne nichts Gutes tun für sein Heil und seine Erlösung.
Es gab beim Beraadsdag mehrere Workshops. IKON berichtet, dass ein Gesprächskreis sich auch mit der 400 jährigen Geschichte der Remonstranten befasste. Tjaard Barnard zeigte, dass es in der Geschichte der Remonstranten oft Akzentverschiebungen gab, einmal mehr zu orthodoxen , dann viel mehr zu freisinnigen theologischen Ansätzen. Beachtlich bleibt – in unserer Sicht- , dass sich die Remonstranten wie kaum eine andere Kirche er Philosophie der Aufklärung und auch dem Modernismus wohlwollend und lernbereit stellten. „Seit den 1960 Jahren ist einem orthodoxen (calvinistischen) Glauben bei den Remonstranten nichts mehr übrig geblieben, die Remonstranten präsentieren sich als freisinnig“ (IKON). In der weiten christlichen Ökumene das darf man ohne Übertreibung sagen – eine recht seltene Erscheinung! Schön, dass es diese Kirche gibt.
Remonstranten sind – in unserer Sicht – eine Art Avantgarde! Viele große Kirchen haben nie die Aufklärung und den Modernismus anerkannt und rezipiert, etwa die römische Kirche oder die Orthodoxen Kirchen Griechenlands, Rußlands usw. Das Ausbleiben mit diesen modernen Denkrichtungen ist in diesen Kirchen machtvoll zu spüren, bis heute.
Die Toleranz wurde von Remonstranten während ihrer ganzen Geschichte immer als hoher Wert verteidigt. Beachtlich bleibt, dass die Remonstranten Kirche heute eine freisinnige Kirche ist, in der jedes Mitglied selbstverständlich sein individuelles Glaubensbekenntnis formuliert. Das wird beim Eintritt in die Kirche respektiert. Beachtlich ist weiter, dass es kein allgemein bindendes Glaubensbekenntnis für alle Mitglieder gibt. Auf diese Weise wird die individuelle spirituelle Entwicklung eines jeden Menschen respektiert. Ein interessanter Versuch, Menschen mit ausdrücklich unterschiedlicher Glaubenshaltung in einer Kirche zusammenzuführen. Das hat sich in Deutschland – und weltweit – leider noch nicht so herumgesprochen. Aber freisinnige Kirchen haben es Zeiten flammender Religiosität und lautstarker Bekenntnisse und Dogmen und moralischer Vorschriften ohnehin nicht so ganz leicht…
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