Jesus war ein Religionskritiker. Im Alltag das Heilige entdecken.
Tom Mikkers, der „Allgemeine Sekretär der Remonstranten Kirche“, hielt am Sonntag, 16. Mai 2010, in der Kirche „de Vrijburg“ in Amsterdam, eine bemerkenswerte Predigt. Anlass war ein besonderer Gottesdienst, in dem die Lieder des Song Contests, der Eurovision, im Mittelpunkt standen. Mehr als 400 Teilnehmer waren bei diesem ungewöhnlichen spirituellen Ereignis dabei, als Angebot und Einladung wurde deutlich: Auch in der Populärkultur, auch in den Songs und Liedern des „Eurovision Song Contest“, kommen spirituelle und religiöse Aspekte vor. Sie sollten auch von Kirchen beachtet werden, sie können nämlich hilfreich sein, wenn es auch klar ist, dass viele Lieder banal und kitschig sind.
Tom Mikkers sagte unter anderem:
„Ganz eingefleischte Theologen („hardcore theologen“ im niederländischen Text) könnten sagen: Diese Lieder sind schön, aber das hat mit Kirche oder Christentum nichts zu tun. Andere sagen: Es kann ja sein, dass einige Songfestival – Lieder ein bisschen Friede und ein bisschen Liebe brachten. Aber für die Antworten zu den großen Lebensfragen muss man doch bei dem alten kirchlichen Repertoire sein Heil suchen. All das andere sei nur eine Art Verdünnung der alten Lehre.
Wer das sagt, hat eine Voraussetzung: Es gibt eine große Wahrheit, die ist buchstäblich zu finden in der Bibel, und diese Wahrheit wird genau formuliert von Priestern und Kardinälen. Und wehe dir, wenn du beginnst, dein eigenes Lied zu singen!
In meinen Augen pervertiert der christliche Glaube, wenn er zu einem fest umschriebenen kirchlichen Exklusiv – Programm wird.
Warum? Weil Glauben nichts zu tun hat mit einer Stellungnahme (mit dem „nur so ist es“), sondern mit einem innerlichen Abgestimmtsein auf das eigene Selbst, auf den Mitmenschen und das große Ganze, das wir vielleicht auch, (wenn genaue Begriffe fehlen), Gott nennen.
Jesus war ein Religionskritiker der reinsten Art! Nun ist es ein Gewinn von wahrer Religionskritik, dass sie religiös inspirierte Menschen herausfordert, die Bitterkeit und die Unbarmherzigkeit der harten Wahrheit („nur so und nicht anders“) wirklich anzusehen, aber sie dann auch zu verlassen und aufzugeben! Übrigens ist für mich die Angst vor der Religionskritik vollkommen unbegründet. Denn Religion versteinert nur ohne Kritik.
Jesus hielt nichts von bürokratischen Dogmatikern, die meinten bestimmen zu können, wer etwas taugt und wer nicht. Jesus rief das Establishment zur Ordnung!
Die Kirche als Gemeinschaft von Menschen, die auf dieser Spur Jesu von Nazareth weiter gehen will, kann nicht machtvolle Verurteilungen vornehmen und an einer festen Ordnung hängen. Nicht das haarscharfe Urteil , sondern das Mitleiden mit jedem, der leidet und stirbt, ist das geistliche Brot, das in der Kirche an alle Menschen ausgeteilt wird…Jesus machte das Heilige wieder zum Alltäglichen, und das Alltägliche wurde für ihn heilig. Jesus bezweifelte in aller Offenheit die religiös korrekten Antworten und Annahmen“.