Für die Trennung von Kirche und Staat
Von Wibren v.d. Burg, Professor für Rechtsphilosophie in Rotterdam.
Aus remonstrantischer Perspektive muss meiner Meinung nach jede Verquickung von Kirche und Staat zurückgewiesen werden. Damit nehmen Remonstranten Stellung gegen den Gedanken einer Staatskirche , wie er in der lutherischen und anglikanischen Tradition noch vorkommt. Darüber hinaus verwerfen Remonstranten den Gedanken der römisch – katholischen Tradition, dass diese Kirche als Interpretin des Naturrechts sich intensiv in politische Debatten einmischen darf und ihre Mitglieder auch aufrufen darf, einer bestimmten Partei die Stimme zu geben. Remonstranten verwerfen auch die Intervention durch etliche katholische Bischöfe in politische Debatten, wenn es sich etwa um Abtreibung, Euthanasie und Ehefragen handelt. Dabei sollen nach dieser katholischen Vorstellung sogar die Politiker, die dieser
amtlichen Position nicht folgen, von der Teilnahme an der
Kommunion ausgeschlossen werden. Auch die Praxis vieler Länder, in einem Konkordat der katholischen Kirche wie dem Staat bestimmte Vorrechte anzuerkennen, ist aus remonstrantischer Sicht unannehmbar. Für Remonstranten gibt es keinen „christlichen Staat“ und keine „christliche Politik“. Sie sind sehr zurückhaltend, Religion und Politik direkt zu verbinden. Der Gedanke, dass die Religion ein Organisationsprinzip ist für die Regelung des gesellschaftlichen Lebens, ist den freisinnigen Christen, also den Remonstranten, fremd. Sie waren dagegen, als sich die niederländische Geselschaft im 20. frühen Jahrhundert nach „Säulen“ getrennt organisierte, also eine protestantische Säule neben einer katholischen und diese neben einer sozialistischen Säule usw. Remonstranten haben stets neutrale und allgemeine Organisationen bevorzugt. Darum gibt es keine freisinnigen Parteien und auch keine freisinnigen Schulen oder freisinnige Hilfswerke. Dieser Meinung sind die Remonstranten nicht, weil sie meinen, dass Religion nur Privatsache sei ohne gesellschaftliche Konsequenzen, im Gegenteil. Sie meinen nur: Die religiöse Orientierung kann nicht die Basis sein, auf der sich gesellschaftliche Organisationen bilden.
Entnommen dem Buch: „De remonstrantie. 400 Jaar“. Hg. von K. Holtzapffel und M.v. Leeuwen. Meinema Verlag, Zoetermeer, 2010, dort s. 162 f.