„Mein Gott“: Persönliche Bekenntnisse von Remonstranten

 

Die Remonstranten haben dieser Tage in den Niederlanden eine umfassende Werbe-Aktion gestartet, u.a. auch mit Plakaten, die im ganzen Land, vornehmlich auf Bahnhöfen, zu sehen sind.

Gleichzeitig erschien eine kleine Broschüre, in der einige Remonstranten kurz und bündig – und durchaus werbend – erläutern, warum sie mit dieser Kirche verbunden sind.

Diese sehr persönlichen und bewusst sehr individuellen Bekenntnisse sind ein erster Schritt, um Menschen einzuladen, über den eigenen Glauben und die eigene, persönliche Gottesbeziehung nachzudenken.

Diese weit verbreitete kleine Broschüre im DINA5 Format liegt nun hier in einer Übersetzung durch Christian Modehn vor, Forum der Remonstranten in Berlin.

Die Remonstranten hoffen, dass sich in Holland und hoffentlich auch anderswo durch diese Werbung neue Kontakte entwickeln zu den Remonstranten-Gemeinden. Die Leser dieser Broschüre werden zudem eingeladen, sich als „Freund der Remonstranten“ anzumelden. Dies kann im zentralen Büro in Utrecht geschehen::

(0031 – 30 2316970.

Oder info@remonstranten.org

Neueste Informationen über die Gemeinden in Holland sind zu finden:

www.remonstranten.org

 

Die Remonstranten sind eine der wenigen christlichen Kirchen, die neben der üblichen Mitgliedschaft auch die Bindung „als Freund, als Freundin“ kennen. Dies gilt besonders für Menschen, die noch eine andere religiöse Bindung haben, aber dem Geist und der Praxis dieser freisinnigen, theologisch-liberalen Kirche nahe stehen.

Die sehr persönlichen Bekenntnisse sind nur ein erster Schritt, das remonstrantische Leben kennen zu lernen.

Gleichzeitig erschienen sechs Bücher zum Thema Gott, Jesus, Mensch, Zukunft, Geist und Kirche von verschienen remonstrantischen Theologen. Sie sind als Set auch im Buchhandel (Verlag Meinema) erhältlich, sie dokumentieren eine aufgeschlossene Theologie für heute und morgen.

 DER TEXT DER BROSCHÜRE:

 

Mein Gott verheiratet auch Homos

 

Das bedeutet für mich, dass ich wirklich „ich selbst“ sein kann. Und bei den Remonstranten kann ich wirklich ich selbst sein.

Das ist eine Kirche, wo man nicht sagt, wie und was ich glauben muss. Und bei den Remonstranten bin ich wirklich willkommen. Willkommen, um zu heiraten, aber auch sonst zu wichtigen Ritualen, wie der Feier des Abendmahls. Nach gut remonstrantischem Brauch wird ausdrücklich immer jeder, wie man auch glaubst oder nicht glaubt, eingeladen, am Abendmahl teilzunehmen. Das finde ich gut. Diese Kirche ist ein Haus von Menschen, wo ich willkommen bin, um das Mysterium des Lebens zu feiern, auch mein eigenes Leben.

 

Rinus Gerlofsma

Remonstrant in Utrecht

 

So ist es.

Hans van Commenée

 

Mein Gott schaut nicht auf mich herab

 

Ich halte nichts von einem Gott, der missgünstig ist und der mich als einen „kleinen Knirps“ betrachtet, für den ich es niemals recht tun kann. Ich muss nicht vor ihm in die Knie fallen, während er mich böse betrachtet. Nein, mein Gott findet es gut, dass ich meine eigenen Entscheidungen treffe. Er lässt mir meine eigene Wahl. Vielleicht kann Gott das eine an mir mehr schätzen als das andere. Aber prinzipiell findet er mich wohl ganz in Ordnung und findet das gut, was ich tue.

Jeder Mensch blüht doch in Freiheit erst so richtig auf. Wenn ich förmlich gewürgt werde von allerlei Geboten und Verboten, kann ich niemals das Äußerste gestalten.

Ich vertraue darauf: Gott ist glücklich ist, dass ich da bin. Das Leben auf Erden sieht in gewisser Hinsicht den „sozialen Medien“ ähnlich. Wenn ich etwas nicht gut tue, dann werde ich von anderen Menschen richtig zurückgepfiffen. Das regelt sich von selbst. Dann ist kein strafender Gott mehr nötig.

 

Jaap Marinus

Remonstrant in Ede

 

 

Mein Gott ist ein ganz großer Optimist

 

Ich erfahre Gott in der Begegnung zwischen Menschen. In dieser Bewegung zwischen den Menschen kommt Inspiration, Feuer, Kreativität nach vorn. In diesem Raum wird die göttliche Kraft sichtbar. Die Ereignisse in der Welt um uns herum können uns düster und negativ stimmen. Der Kontakt mit anderen Menschen gibt mir dann gerade neue Hoffnung und weckt meinen Optimismus. Den Inspirationen der Bibelerzählungen und der Philosophen entsprechend, brauchen wir einfach andere Menschen, um in unseren Gedanken und auch in inneren Konflikten weiter zu kommen. Durch den Kontakt mit Menschen halte ich mich daran und so kann ich einen Schritt weiter gehen in dem Leben. Ich gebe Unterricht in einer Fachhochschule für die Ausbildung von Pflegeberufen. Ich rege meine Studenten an, dass sie auch die positive Seite der Patienten stärken und betonen. Gerade dann entwickelt sich die Kraft der Menschen, und dadurch können sie sich auch verändern.

 

Margriet Dijkmans van Gunst

Remonstrantin in Amsterdam

 

 

Mein Gott hält nichts von Dogmen

 

Das Wort Dogma lässt mich an eine Auffassung vom Glauben denken, die nicht zu verändern ist und mit der die Gläubigen einander prüfen und „Maß nehmen“. Wenn die Erzählungen von Menschen, wie sie in der Bibel beschrieben sind, zu Dogmen und zur Kirchenlehre versteinern, dann ist das Leben dort verschwunden. Meiner Meinung nach wird die Geschichte des Menschen Jesus verkündigt in der Hoffnung, dass dadurch Menschen selbst zur Quelle des Lebens finden können. Jesus versuchte die wunderbare Nähe zu Gott in seinem Leben auszudrücken. Aber das vorbildliche Leben des Menschen Jesus ist dann oft hinter seiner dogmatischen Bedeutung verschwunden. Die Geschichte seines menschlichen Lebens wurde verdrängt durch ein zeitloses Dogma. Die alten Worte behindern oft unsere eigene Suche, sie sind belastet und beladen. Darum suche ich lieber nach heutigen, zeitgemäßen Bildern, die uns etwas erzählen können vom Geheimnis des Ewigen und die uns hinweisen auf Spuren Gottes in unserem Leben.

 

Reinhold Philipp

Remonstrantischer Pastor in Den Haag

 

 

Mein Gott lässt mich selbst denken

 

Kein einziger Theologe darf vorschrieben, wie man denken muss. Betrüblich ist, dass das noch immer der Fall ist. Und oft wollen Menschen deswegen nichts mehr zu tun haben mit irgendeiner Form von Religion. Das ist auch völlig richtig, wenn denn die eigenen Ansichten dabei zu kurz kommen. Und eigentlich wird so die Religion verstümmelt. Denn religiöse Traditionen bieten Rituale, Kunst, Musik, Sinn für Gemeinschaft, Stille und Weisungen, wie man gut leben kann. Religion kann wertvoll sein. Auch der persönliche Glaube muss nicht allein bleiben. Darüber sind Remonstranten mit einander im Gespräch.

 

Christa Anbeek

Professorin für remonstrantische Theologie in Amsterdam

 

 

Mein Gott zwingt mich zu nichts

 

Ich fühle mich nicht zu Hause in den gängigen Strukturen und Dogmen. Ich bin eine Nonkonformistin und habe mich immer am Rand der Kirche aufgehalten. So kann ich meinem eigenen Gewissen folgen und kann nachdenken, bevor ich etwas beurteile. Oder ich enthalte mich eines Urteils. Unbegründet der Bibel zu folgen, passt mir gar nicht. Von Haus war ich in der Niederländisch Reformierten Kirche, aber als ich 2005 nach Zwolle umzog, fühlte ich mich bei den Remonstranten wohl. Das Befreiende bei den Remonstranten war, dass der Glaube dort keine Art Zwangsjacke ist. Ich kann da leben nach meiner eigenen Deutung und Interpretation. Und es bindet mich sehr an diese Kirche, wenn ich andere von ihrer eigenen Erfahrungen im Glauben erzählen höre.

 

Erna Arnold

Remonstrantin in Zwolle

 

Übersetzung aus dem Niederländischen: Christian Modehn, Berlin.